Estichà Unterer Markt

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der grosse geschichtenerzaehler

sopry @, Thursday, 08. August 2002, 05:04


die rotgetigerte chira betritt den markt aus der gasse, die zum alten verlagshaus fuehrt. sie hataugenscheinlich ein neues kleid an, das alte war bei dem intermezzo mit dem brunnen und dem zerreissen von stoff zur versorgung von rath aldeens wunde arg mitgenommen gewesen.
ihre augen blitzen in der sonne auf und ihr gang ist federnd, nicht nennenswert grazioes, nein. er ist genauso aufsehenerregend wie der gang jedes anderen normalen marktbesuchers an diesem morgen. mag sein er ist noch etwas muede.
so ihr gesicht, nicht haesslich, gezeichnet von intelligenz und symphatisch, jedoch nicht nennenswert bemerkenswert.
diese null acht fuenfzehn chira setzt sich unter den baum, an die stelle am rande des platzes, an der der verstorbene barwaan, hohepriester des vesanatempels, mit seinem rollstuhl geschichten stand, geschichten zu erzaehlen.
diesmal scheint sie nicht die absicht zu haben zu zeichnen. sie setzt sich hin und wartet.
worauf sie wartet wird dem beobachter bald klar. ihre horde strassenkinder hat sie schnell entdeckt. angefuehrt von einem sehr dreckigen maedchen kommen sie auf sie zu.
mit ein paar gesten haben sopry und das maedchen sich schnell verstaendigt. die kinder setzen sich hin und warten.

"die geschichte vom grossen geschichtenerzaehler!" beginnt die chira. ihre stimme, die gedehnt und schon etwas vertraut klingt, laesst die kinder still werden.
" es war einmal ein grosser geschichtenerzaehler. er hatte schon eine menge kleiner geschichten erfunden bevor er auf eine neue und sehr aufwendige idee kam. er wollte eine neue welt erfinden, die geschichte eines ganzen volkes und jeder seiner figuren aufschreiben und etwas so unheimlich grosses damit erschaffen, das alle anderen geschichtenerzaehler vor neid gruen wuerden!
so machte er sich daran eine welt zu erfinden, mit pflanzen und tieren und menschen, mit sragon, chira und unuim. er machte sich gedanken ueber die gesetze der natur, ueber die religion und die sprache.es sollte eine welt voller wunder und leidenschaft werden.

doch bald nachdem er die figuren der welt erfunden hatte, musste er einsehen das er nicht jedes einzelne schicksal selbst aufschreiben konnte. die arbeit brachte ihn bald um den verstand.
so kam es das er die arbeit aufteilen musste.
jede figur der grossen geschichte bekam einen kleinen eigenen schreiber.
die schreiber zeichneten nun an den charakteren ihrer figuren, liessen sie lebendig werden in ihrer fantasie. sie tauschten sich untereinander aus und fuehrten die figuren zueinander, verwoben ihre schicksale und liessen sie lieben und hassen.
die charaktere ihrer figuren waren teilweise so komplex das die schreiber sehr vorsichtig wurden, um nicht deren moeglichen gedanken zuwider zu handeln. bei vielen tat sich eine art respekt fuer den charakter auf, den er fuehrte.
doch es kam noch ganz anders!"
sopry macht an dieser stelle eine dramtische pause und schaut die kinder an.

" eines tages sasen die geschichtenerzaehler in einer runde zusammen, als einer von ihnen zaghaft etwas aussprach das alle vertsummen lies:"die figur die ich spiele...... ich bin mir nicht mehr sicher. es ist als ob sie handelt und ich nur aufschreibe was sie tut. ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich mir ausdenke was geschieht, oder die figur selbst handelt."
ein paar geschichtenerzaehler fingen an zu lachen, andere wurden sehr nachdenklich.
viele von ihnen beschlich in der folgenden zeit das gleiche gefuehl.
unruhe machte sich breit.
die eskalation wurde schliesslich durch das handeln einer figur ausgeloest, die dafuer sorgen sollte das deren schreiber zum grossen geschichtenerzaehler lief und ihm seine aufzeichnungen auf den tisch legte.
die figur des schreibers war eine unscheinbare frau, die den lauf der welt nie wirklich beeinflusst hatte. sie wendete sich direkt an den geschichtenerzaehler. ihre worte lauteten etwa folgendermaßen: "sichara grosser geschichtenerzaehler. ich bin dir dankbar das du meine welt erschaffen hast und alles was darin ist. jedoch sage ich dir, dass die zeiten der folgsamkeit vorrueber sind. ich habe einen eigenen willen! ich will meine geschichte schreiben, mein schicksal selbst bestimmen! du hast keine macht mehr ueber mich!"

der grosse geschichtenerzaehler lachte zuerst. er nahm eine feder und schrieb auf das blatt.
* als die frau das naechste mal hinausgeht stolpert sie ueber einen stein und faellt hin. ihr knie blutet.*
doch seine hand hoerte nicht auf zu schreiben....
* die frau steht langsam auf und laechelt leicht. sie murmelt leise ein paar worte die nur der geschichtenerzaehler hoeren kann. "du kannst mich krank machen, mir moerder schicken, du kannst eine seuche verbreiten...... doch meinen willen, den bekommst du nicht. sag, du wolltest etwas erschaffen, das lebendig ist. so lass es doch auch lebendig werden."*

der geschichtenerzaehler starrte benommen auf die zeilen und kam ins gruebeln.
schliesslich nickte er leicht und gab dem schreiber sein heft zurueck.
"lass sie tun was sie will. sie hat recht. es ist ihr schicksal. schreib er es nur auf."

fortan bestimmten einige der charaktere ihr schicksal selbst. einige blieben immer figuren eines schreibers. doch einige begriffen sich selbst als etwas lebendiges und erfuellten ihre schreiber mit stolz."
sopry schaut laechelnd ueber die reihen der kinder, in deren gesichter sich die einzelnen gedanken spiegeln.
es wird still. die kinder warten scheinbar auf ein ende der geschichte.
die chira sitzt scheinbar unbeweglich, nur das glitzern in ihren augen ist ein lebendiger funke.
"jede chira, jeder mensch, unuim und sragon..... kann seinen eigenen willen entwickeln und den grossen geschichtenerzaehler von neuem verblueffen, seinen schreiber mit stolz erfuellen.
die figuren muessen nicht vollendete schoenheit erreichen, ihre faehigkeiten der anderen nicht um laengen ueberragen...... sie muessen nur sich selbst als etwas lebendiges begreifen. dann bekommen sie ihren eigenen willen.

ihr solltet genauso handeln. begreift euch als etwas lebendiges. mit all euren fehlern werdet ihr nur noch mehr dazu. lasst nicht zu das ihr platten schoenheitsidealen entsprecht, ohne einen eigenen zug in eurem gesicht, der euer leben aufzeigt.
denn nur so seid ihr kein wachs in der hand von anderen, die in eurer geschichte die feder fuehren wollen."

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