Morgengrauen
Manch belesener Röhrenbewohner hat dieses Wort noch in alten Schriften gefunden, aber seine Bedeutung wird ihm wohl weitgehend unbekannt bleiben. Der Sonnenring erstrahlt sein Anbeginn der Zeit pünktlich jeden Morgen in voller Pracht. In der Literatur finden sich viele Beschreibungen dieses erhabenen Schauspiels, dass sich dort im Osten der Röhre an jedem Tag erneut anspielt. Der Nachthimmel scheint aufzureißen. Grelle Strahlen schießen aus der Zentralröhre und der Sonnenring erstrahlt wenig später in seinem vollen Glanz.
Die hochaufgeschossene hagere Gestalt, die an diesem Morgen den Mayevatempel verläßt weiß wie jeder andere Röhrenbewohner, das die Dunkelheit bald vorbei ist und das Herz der Stadt wieder kräftig zu schlagen beginnt. Sie tritt aus dem Tor und geht ein paar Schritte über den großen Marktplatz auf dem zu dieser Zeit die Händler ihre Stände aufbauen. Kaum jemand beachte die sauber aber einfach gekleidete Gestalt mit dem Schuppenkamm auf dem Scheitel. Ein Frau .. ja es war eine Frau wenn auch eine sehr schlank. Aber eine Yedeitin war es jedenfalls nicht, die da mit einer einfachen Hose und einem schlichten Hemd bekleidet zwischen den halb aufgebauten Ständen verschwindet. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere an den linken Arm, der sauber verbunden war oder an den Rucksack oder das Netz mit zwei Krebsen, dass sie in der Hand trug. Aber sind solche Details später wirklich von Bedeutung?
Der Sonnenring flackerte kurz und schicke dann seine Strahlen in die Röhre gerade als die junge Frau ihren Kopf leicht nach Osten wandte. Geblendet schloß sie für einen Moment die Augen. Vielleicht blieb sie auch kurz stehen und genoß für einen Augenblick die Strahlen der neuen Sonne auf ihrem Gesicht, man wird es wohl nie erfahren. Man wird auch nie erfahren warum Jaspar, der Weinhändler den dicken Balken für seinen Stand an diesem Morgen vom Karren fallen ließ. Vielleicht haben ihn auch die Sonnenstrahlen geblendet vielleicht war er nur ungeschickt.
Es gab ein unschönes Knirschen als der Balken die Schulter der jungen Frau zerschmetterte. Fast lautlos sackte sie zusammen. Nur der dumpfe Knall mit dem ihr Kopf auf den gepflasterten Boden des Marktplatze aufschlug war für die Umstehende zu hören. Entsetzt drehten sich einige der Markthändler zu dem Geschehen um während Jaspar, seine Unschuld beteuernd, vom Karren stieg.
Im ersten Licht der Sonnen sah man ein kleines Rinnsal aus Blut unter dem Schädel hervortreten, das langsam zu dem etwas abseits niedergefallenen Netz mit den Krebsen sickert.
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- Morgengrauen - Verwaltung Gilgat, 14.06.2010, 00:57
- Morgengrauen - Scharif Talon, 14.06.2010, 10:24
- Morgengrauen - naveya, 14.06.2010, 11:24
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