Eine Fabel zur Mittagsstunde (Untermarkt)
Eine alte Frau sitzt am Rand des Markts. Nicht lange bleibt das unbemerkt, die Kinder scharen sich bereits um sie. Es spricht sich herum. Wie immer hebt sie den Kopf unter der Kapuze nicht, sondern beginnt schlicht zu sprechen.
"Ich will euch eine Geschichte erzählen, die einigen von euch vielleicht schon bekannt ist. Sie ist eine Fabel aus den Tiefen des Dschungels, und sie beginnt mit einer wagemutigen Expedition. Forscher aus der Hauptstadt der Allianz zogen aus, um sich in unbekannte Gebiete der Senke vorzuwagen. Eine Reise ins Ungewisse, denn damals ahnten die Leute noch viel weniger von dem, was zwischen Allianz und dem Metchà liegt. Diese Gegend ist voller Gefahren, so dass eure Mütter sehr gut daran tun, euch davor zu warnen. Hört gut hin, denn was jener Gruppe tollkühner Forscher zustieß, sei euch allezeit eine Warnung! Wilde Tiere und verschlingende Pflanzen lauern dort im Dschungel und noch vieles mehr, das zu fürchten sich lohnt. Jene Expedition traf in den Tiefen der Urwälder auf einen namenlosen Schrecken. Was genau ihnen geschah, das weiß niemand und wird’s auch nie erfahren, denn der Schrecken verschlang sie alle samt und sonders und nur einer von ihnen überlebte. Ein kleiner Junge, gerade einmal abgestillt, aber noch viel zu jung, um gehen oder gar sprechen zu können. Seine Mutter war eine ehrgeizige Sragondame, die hoch in der Gunst der Regentin stand und sich somit einen Platz in der Mission verdient hatte. Nun aber verschlang der Schrecken auch sie, und es gelang ihr gerade noch, ihr kleines Söhnchen beiseite zu schaffen und ihm somit das Leben zu retten. Da saß er nun, der kleine Sragonjunge, allein, verlassen und mutterlos im großen Dschungel. Sein junges Leben hätte jäh zu Ende sein können, doch dann gäbe es keine Sage, die zu erzählen ich hier bin.
Es trug sich nämlich zu, dass der kleine Junge das Glück an seiner Seite hatte. Es begegnete ihm in der Gestalt eines Hufs, das weithin unter dem Namen Parvas bekannt war und zufällig gerade des Weges kam. Als es den Jungen erblickte, da hatte es Mitleid mit ihm und setzte sich zu ihm und sang den Kleinen in den Schlaf. Dieser Gesang aber lockte die Tiere des Dschungels an, und sie kamen und sahen den Jungen. Da begannen einige von ihnen, das Kind für sich zu fordern. Und sie alle trugen dem Huf ihr Anliegen vor und bemühten sich, ihren Anspruch geltend zu machen. Nun hatte der Junge aber großes Glück, denn das Huf war zwar klein von Wuchs, doch sehr gewitzt im Geist, und es durchschaute das Spiel der Dschungeltiere, die allesamt vorhatten, den armen Knaben zum Mittagessen zu verspeisen. Und das kluge Huf namens Parvas fasste einen Plan zur Rettung des Waisenjungen, indem es hinging und sich an das Roputan wandte und fragte, was nach dessen Ansicht mit dem Jungen geschehen solle. Da schauten sie alle auf das Roputan, dessen Namen Madran war, denn es war bekannt unter den Tieren ob seiner außergewöhnlichen körperlichen Stärke, aber auch für sein ruhiges, besonnenes Wesen. Und Madran erhob seine Stimme und sprach:
„Dieses Kind ist keiner von uns und gehört nicht in unseren Dschungel. Es muss zu den Seinen in das Dorf der aufrechten Echsen gebracht werden.“
Da frohlockte Parvas das Huf, denn es erkannte die gute Gesinnung Madrans und willigte ein, dass sie beide den Jungen ins Dorf brächten. Und so zogen sie gemeinsam los, das Knäblein und das Huf ritten auf Madrans Rücken. Und nachdem zweimal der Delvanring über sie hinweg gezogen war, da erreichten sie den Sragonstamm. Sie gingen dort hin, um den Jungen zu seinem Volk zu bringen, doch…"
gesamter Thread:
- Eine Fabel zur Mittagsstunde - Fabula Docet, 15.05.2009, 12:52 (Untermarkt)
- Der Fabel zweiter Teil - Fabula Docet, 15.05.2009, 12:55
- Der Fabel Schluss - Fabula Docet, 15.05.2009, 12:59
- Der Fabel Schluss - Tikhi, 15.05.2009, 14:12
- Die Alte und die Chirà - Fabula Docet, 16.05.2009, 19:44
- Der Fabel Schluss - Tikhi, 15.05.2009, 14:12
- Der Fabel Schluss - Fabula Docet, 15.05.2009, 12:59
- Der Fabel zweiter Teil - Fabula Docet, 15.05.2009, 12:55