Im Schatten des Brunnens
Es ist schon später Vormittag, als ein abgerissen wirkendes Wesen die Vocha vom Hafen herauf kommt.
Abgerissen trifft es nicht ganz, heruntergekommen, dünn und schrecklich schmutzig wirkt sie. Ja auf den zweiten Blick erkennt man in dem mageren, verdreckten Wesen eine junge Frau, spannt sie das mit Flecken besprenkelte Hemd über ein kleine Brüste, schlottert jedoch um den Rest ihrer Figur. Ihr schulterlanges stumpfes Haar hat einen dumpfen Rotton und wird von einem Schuppenkamm gescheitelt. Ihre Beine stecken in ebenso speckigen wie zerissenen Hosen. Über der Schulter trägt sie einen ebenso schmuddeligen Rucksack, in der einen Hand ein geflochtenes Netz aus Schilf. Die Arme des Hemdes sind etwas aufgerollt, so das man ihre Unterarme sehen kann. Der Linke ist blutverkrustet, teilweise aber schon verschorft.
Nur einmal hebt sie leicht den Kopf, als sie an einem Brotstand vorbeikommt und schnuppert den Duft des frischen Brotes, witternd wie ein Tier.
Doch rasch senkt sie den Kopf wieder und geht langsam auf den Schatten der Bäume am Brunnen zu.
Ihre lange schmale Gestallt zusammenfaltend hockt sie sich hin und breitet saubere, frische Blätter aus, auf die sie ihren geringen Fang an Fisch und Krebsen ausbreitet. Die Diskrepanz zwischen ihrer schmutzigen Erscheinung und dem frischem, sauberen Fisch auf dem leuchtend grünen Blatt könnte nicht grösser sein.
Den Kopf gesenkt wartet sie.
Im Schatten des Brunnens
Eine feine, liebliche Flötenmelodie legt sich plötzlich über den belebten Marktplatz. Sie vermag es vorerst nur schwach gegen das geschäftige Stimmengewirr anzukommen und ist mehr als Hauch im Wind zu vernehmen, als wirklich greifbar zu wirken. Doch wird sie stetig lauter und klarer, bewegt sich offensichtlich auf die kleine Fischerin zu und nimmt schließlich einen mitreißend Klang an, dem man sich kaum mehr entziehen kann.
Plötzlich reißt die Melodie abrupt ab und im nächsten Moment lässt sich eine klimpernde Gestalt genau vor Naveya im Schneidersitz nieder. Die Flöte noch in der Hand blickt ihr ein junger Mann entgegen, ein charmantes Lächeln auf den Lippen. Hellbraune, lockige Haare fallen ihm bis zu den Schultern, werden jedoch von einem roten Kopftuch zurückgehalten, an dem unzählige Kettchen mit Anhängern vor sich hin klimpern. Ein struffiges Kinnbärtchen prankt in dem markanten Gesicht und zwei fröhliche blaugraue Augen blicken die junge Frau vor sich an.
Ein rotes Hemd und eine abgetragene braune Hose umhüllt den hochgewachsenen, eher schlacksigen Leib und an einer Scherpe um die Taille trägt er ein außerordentliches Sammelsorium an Beutelchen, Taschen und festgeleinten Musikinstrumenten. Eine Laute sitzt auf seinem Rücken.
Der Blick des Barden gleitet auf die Fischauswahl hinab und seine Hand gleitet vor, als wolle er danach greifen. Als er sie zurückzieht, hält er jedoch eine kleine, schimmernde Muschel in der Hand, die sich offensichtlich mit in dem Netz verfangen hatte. "Tauschst du die?" fragt er mit dunkler, wohlklingender Stimme, grinst ihr entgegen und streckt ihr gleichzeitig zum Tausch ein halbes Brötchen entgegen.
Im Schatten des Brunnens
Die mitreissende Melodie dringt nicht wirklich zu der jungen Fischerin vor, jedenfalls zeigt sie keinerlei Reaktion.
Erst, als sich der junge Mann vor ihr niederlässt, hebt sie ein klein wenig den Kopf, aber die Augen bleiben fest auf den Fisch gerichtet.
Als Javero ihr das Brot hinhält, zuckt ihre Nase und sie hebt den Kopf so weit, das er ihre Gesichtszüge ausmachen kann.
Selbst unter dem Schmutz kann er erkennen, das sie jung ist, das Gesicht rein menschlich. Ihre Augen werden von langen Wimpern überschattet, von unten her mustert sie ihn kurz, ohne ihm in die Augen zu schauen.
Hungrig ist ihr Ausdruck.
Ein leichtes Nicken und das vorzucken der Hand sind eines.
Hastig schliessen sich ihre langen , schlanken Finger um das Brot, als würde sie ihm nicht so recht trauen, das er bei dem Handel bleibt.
Doch statt sich das Brötchen gierig in den Mund zu stopfen, schnuppert sie kurz daran und beisst ein winziges Stückchen an.
Die ganze Zeit hat sie nicht einmal den Blick gehoben, überhaupt wirkt ihr Gesicht sehr zurückhaltend und gleichmütig.
Im Schatten des Brunnens
Das Brot ist wohl nicht mehr das frischeste und scheint eher als Backware vom Vortag gehandelt worden zu sein, wenn überhaupt. Doch es ist sauber und riecht verführerisch nach Mehl und Hefe, für den leeren Magen der Fischerin sicherlich ein wahrer Festschmaus.
Veros Blick gleitet über die Abgerissene Gestalt hinweg, bleibt am geschundenen Arm der Sramen hängen und legt sich schließlich wieder in das ausgemergelte Gesicht. Die Muschel hält er weiterhin in den Händen und dreht sie spielerisch zwischen den Fingern.
"Lass dir heute Nacht eine Unterkunft im Mayevatempel geben kleine Gestrandete." entgegnet er sanft. "Und du solltest jemandem nach deinem Arm sehen lassen." Er streicht sich mit der Hand über das struffige Kinnbärtchen und neigt etwas den Kopf, als wolle er den gesenkten Blick der jungen Frau auffangen.
Im Schatten des Brunnens
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Auf der Sonnenseite des Brunnens
Auf der anderen Seite des Brunnen sitzt Bandiko und scheint was vor sich hin zu arbeiten. Als er die Musik von Vero vernahm drehte er sich in die Richtung um. Da dieser anscheinend nicht um den Brunnen herum kommt und die Musik verstimmte, packt Bandiko seine Sachen ein und geht um den Brunnen herum. "Sichara Vero." sagt er als er dort ankommt. "Wie gehts?" Dann erst fällt sein Blick auf die Frau mit den Fischen. "Sichara. Ich Bandiko." Er verbeugt sich leicht vor der ihm Unbekannten. "Fisch gut? Mag festen. Weißen Fisch." Bandiko ist in seine weißen Tücher gewandtet und seine Stimme ist abgehackt und unruhig.