Leilya konnte ihre Reden weitgehend frei von Unterbrechungen vortrage. Das Resümee aus der bisherigen Amtszeit des Kronrats wurde überwiegend wohlwollend zur Kenntnis genommen. Die Steuerreform fand Beifall und nur wenige Mißtöne, der Hinweis auf Shagads und den geglückten Sprung ans Nordufer wurde beklatscht und sogar die eingeräumte Verantwortung für das Verbot Waffen in der Stadt zu tragen, stieß auf überwiegende Zustimmung. Alles sah nach einer der üblichen Verlautbarungen aus, die Amtsträger von Zeit zu Zeit von sich geben um ihre Position zu bestärken und sich dem Volk mal wieder zu präsentieren. Als aber Leilya über die schleichende Auflösung des Kronrats zu sprechen begann setzte ein aufgeregtes Geraune ein. Alle warteten jetzt nur noch auf den Rücktritt der letzten Kronrätin. Wieder schien ein Kapitel Gilgater Selbstverwaltung beendet zu sein. Unter dem Volk wurden schon Wetten abgeschlossen wann der König den nächsten Statthalter schickt. Und es kam wie alle erwartete hatten, Leilya Mendara trat zurück und die Stadt war damit zumindest vorübergehen ohne formale Regierung. Schon wollten sich die Ersten abwenden und den Platz verlassen,da sprach Leilya einfach weiter. Was nun kam war allerdings eine Sensation, ein noch nie dagewesener Eklat bahnte sich an. Leilya Mendara trat als Kronrätin zurück und setzte sich selber in einer letzten Amtshandlung als Kronregentin ein wobei sie auch gleich noch das Amt der Atabeg in Personalunion übernahm.

Schweigen senkte sich über den Platz. Der letzte Kronrat, besser gesagt die letzte Kronrätin machte gerade den Versuch sich auf recht unspektakuläre Weise, an die Macht zu putschen. Leilya Mendara, ein Frau, wollte Gilgat regieren und die Gilgater standen in diesem Moment überwiegen mit offenen Mäulern vor der Tribüne und wußte wohl nicht so recht wie sie reagieren sollten.

Schweigen senkte sich über den Platz und man konnte förmlich spüren wie der gemeine Bürger den Atem anhielt. Auch auf der Tribüne fiel kein Wort, jeder der Ehrengäste schien mit seinen Gedanken wo anders zu sein und doch war diese allgegenwärtige Spannung mit den Händen zu greifen. Eine Frau hatte ihre Herrschaftsanspruch angemeldet, wollte Gilgat regieren wie ein Statthalter des Königs nur legitimiert durch ihr eigenes Wort. Unmöglich ?

Orbasan, der stadtbekannte Metallurge und Verwalter der großen Metallmanufaktur von Gilgat, erhobt sich. Kurz warf er einen Blick in die Runde und dann zu Leilya. Er nickte ihr zu, hobt die Hände vor die Brust und gab durch lautes Klatschte seine Zustimmung zur Rede der neune Kronregentin bekannt.

So ganz weiss man nicht, ob Aeneia den Inhalt der Rede wirklich verstanden hat - aber während alles in Schweigen ausbricht, hört man die kleinen Handflächen der jungen Frau gegeneinanderklappen. "Bravo, Leilya!", ruft sie aus, und klatscht noch etwas weiter, der Freundin sorglos zulächelnd. Ein wenig irritiert sie das Schweigen um sie herum vielleicht schon, und ihr Blick hangelt sich von den Repräsentanten der Stadt entlang zum sitzenden Orbasan, und versucht seine Mimik einzufangen.

Der Kommandant der Stadtwache hat bei der Rede der Kronrätin keine Miene verzogen. Aufmerksam hat er den Marktplatz beobachten, aber natürlich auch ohne jeden Zweifel den Inhalt des Resümees mitbekommen. Als die Kronrätin die Auflösung des Kronrats bekannt gab blickt er kurz zu ihr und als sie sich selber als Kronregentin einsetzt würde jemand der ihn beobachtet hätte einen Ausdruck der Verblüffung auf seiner Miene gesehen haben. Dann aber hatte er sich auch schon wieder im Griff und sein Blick glitt jetzt offensichtlich viel aufmerksamer über die Menge. Er war sich sicher bewußt, das vieles von dem was in den nächsten Minuten hier auf dem Marktplatz geschah oder auch nicht geschah von ihm abhängen konnte. Und so war es wohl auch ein Zeichen an seine Leute und sicher auch an die Bürger Gilgats als er sich etwas zu Leilya wendete um ihr ebenfalls Beifall zu spenden.

Doch es gibt auch Stimmen des Unmuts. "Wieso werden nicht neue Kronräte gewählt? Der Kronrat ist ein durch die Bürger gewählter Rat. Woher will sie das Recht nehmen das so zu bestimmen? Wer die Macht haben will, sollte erst mal in seinem Amt bestätigt werden. Zu Wahlen hättet Ihr aufrufen sollen, so zeigt Ihr nur Eure Machtgier!" kann man die Stimme eines einfachen Bürgers deutlich über die Menge hinweg hören, ehe die ersten anfangen zu klatschen.

Während Leilya ihre Rede über die Zukunft der gilgater Führung hielt, schiebt sich der vermummte Drakha immer näher an das Rednerpult. Stück für Stück. Immer ein kleines Bisschen mehr. Kurz, bevor die nun bald ehemalige Kronrätin in ihren Worten geendet hat, steht Jitharas unmittelbar vor dem Podest, jedoch mit dem Rücken zu der jungen Frau. Auf die Reaktionen der Zuhörer lauschend lässt er seinen Blick über den Platz schweifen. Als einer der Bürger lauthals seine Kritik an dem jetzigen Vorgehen preis gibt, bleiben die bernsteinfarbenen Augen auf diesem hängen.

Es dauerte wohl einige Zeit bis alle den Inhalt der Rede wirklich verstanden hatten und während auf der Tribüne die Eine noch grübelten beglückwünschten Andere schon die neue Kronregentin. Aber nicht überall sah man zufriedene Gesichter. Manche der geladenen Gäste verließen mit eisiger Miene das Podest, andere tuschelten und schauten bedeutungsvoll zur selbsternannten Kronregentien.
Die Stimmung unter den oberen 100 Gilgats, das kann man wohl sagen war geteilt und diese Teilung setzte sich auch unter den umstehenden Bürgern fort. Zwar blieben direkte Unmutsäußerungen eher die Ausnahme aber der Beifall war verhalten und die sonst bei ähnlichen Veranstaltungen übliche volksfestähnliche Stimmung am Ende wollte sich heute nicht einstellen. Ein leichte Spannung hat die Bürger ergriffen und viele wollten wohl erst mal abwarten was die nächsten Tage so bringen würden.
Die geladenen Gäste verließen nach und nach das Podest und auch das Volk zerstreute sich bzw. nahm den Marktplatz wieder als Handelsplatz in Beschlag.
Leilya wird wohl ebenfalls wieder nach Hause gegangen sein wobei ihr Akram ganz sicher einige Gardisten als Begleitung an die Seite gestellt hat.