Estichà Unterer Markt

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Geheime Geschichten - ohne Schrift und Worte

Silanda Rejha Lurial Sojiras Chranivial @, Thursday, 29. June 2006, 19:28

Sie blickt nach Osten. Betrachtet Delvans neugeborenen Sonnenring, kneift die Augen zusammen. Im Westen wird er sterben. Wie immer. Wie jeden Tag. Eine alltägliche Ordnung, die nicht gestört werden darf. Sie schüttelt sich. So etwas interessiert sie nicht. Im Gegenteil. Sie mag es nicht. Der Tag versucht mit seinem Licht jedes Geheimnis zu enthüllen. Die Nacht wahrt Geheimnisse... Doch, wird der nächtliche Mond nicht auch an einem Ende der Welt geboren und stirbt am anderen Ende? Nun, niemand ist perfekt. Herrlich. In dieser Annahme liegt die Perfektion ihres Glaubens. Immerhin macht es der Mond anders herum. Verlischt im Osten. Sie blickt auf dem Boden, betrachtet, was sie dort sieht. Es ist ihr Geheimnis. Und es bleibt verborgen, so sichtbar es auch unter Delvans Ring sein mag.

Sie lächelt glücklich.

Und beginnt unter dem Sonnenring zu weiter zu malen...

Wirre Linien zieren den Boden des Unteren Marktplatzes. Weitläufig nehmen sie einen guten Teil des Marktplatzes ein. Bunt. Weiße, grüne, blaue Linien. Und noch viele weitere Farben markieren den Boden. Asymmetrisch. Ohne Muster. Ein Chaos. Kurze Striche - kaum eine Handspanne lang. Lange Striche - quer über den Markt. Sie muss schon die halbe Nacht am Malen sein. Die meisten wissen, um wen es sich bei der Künstlerin handelt. Oder ahnen es zumindest. Keiner wagt es, das Bildnis zu berühren. Die Leute starren, blicken ratlos drein.

Doch das kümmert sie nicht.

Sie malt weiter...

Huch?! Ist das dort ein MaiKong? Oh ja, stilisiert! Die Erkenntnis ist erschütternd. Wenn man genau hin sieht, es zu interpretieren versteht... Ein Wanjibaum, wollige Piyuva, Lantisblüten, ein grinsendes Zwysel! Auch Chirà, Sragon, Menschen und Unuim sind zu sehen! Wie sie lachen, weinen, über irgendetwas nachzudenken scheinen. Wie sie miteinander reden, streiten, spaßen... Alles ineinander verwoben und verknüpft. Fließend ohne sichtbaren Übergang. Oder doch nicht? Spielen Auge und Verstand uns einen Streich? Es sind doch einfach nur die wirren, sinnlosen bunten Linien einer eigensinnigen Chirà? Die Leute sind verwirrt.

Die Künstlerin freut sich über diesen Umstand.

Sie malt weiter...

Die ersten Kunden des Marktes kommen. Noch immer wagt es niemand auf diesem Kunstwerk seinen Stand aufzubauen. Die Standbesitzer, welche keinen freien Platz mehr auf dem Marktboden ergattern konnten, überlegen. Einfach versuchen einen Stand auf dem Bildnis aufzubauen? Würde dies das Bild zerstören? Wäre dies ketzerisch? Alle Blick sind auf die Chirà gerichtet. Auf dem personifizierten Chaos.

Doch das kümmert sie nicht.

Sie malt weiter...

Eine Krähe landet auf dem Boden. Intelligent, wissend hüpft sie auf dem nackten Boden ein kleines Stück zwischen den wirren Linien ihrem Ziel entgegen, pickt korrigierend nach einigen Gersa-Körner und flattert das Bildnis unangetastet lassend zufrieden wieder davon.

Die Künstlerin blickt kurz auf und lächelt.

Sie malt weiter...

Noch immer wagt es niemand, das Bildnis zu berühren. Angst? Ehrfurcht? Wissen? Alles gut möglich. Oh nein... Allein Vanors Tränen. Einzig diese werden dieses Bildnis zerstören. Schon bald. Heute. Pünktlich zur Stunde des Regenbringers.

Doch das kümmert sie nicht.

Sie malt weiter...

Bis es regnet.


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