Aufklaren
Langsam, sehr langsam und doch mit einiger Spannung von Land beobachtet, nähert sich die Nebelbank weiter der Stadt und der umliegenden Küste. Jedoch sorgt ein leichter ablandiger Wind gleichzeitig dafür, dass der Nebel sich ein wenig lichtet.
Zu sehen ist eine unermesslich große Insel aus treibenden Mangroven - zumindest könnte es das sein, wären da nicht zwei irritierende Phänomene:
Das Ding bewegt sich nicht mit der Strömung sondern quer dazu.
Aber vor allem sind bei genauerem Hinsehen inmitten der Insel Dinge zu sehen, die nicht natürlichen Ursprungs sind. So kann man beispielsweise Stücke von Schiffen erkennen - Planken und gar einen halben Kiel, Masten, Fässer und Kisten die vielleicht einmal Schiffsladungen waren. Auch von den vier kleinen Booten sind Teile erkennbar, eins ist sogar noch vollständig erhalten, soweit man das erkennen kann. Sie befinden sich allerdings erstaunlich weit im Inneren der treibenden Mangroveninsel so dass man sich fragen muss, wie sie dahin gekommen sein können.
Aufklaren
Vinzenz ist noch immer im Hafenbereich und starrt gespannt auf das Spektakel, dass sich ihm bietet.
Sowohl der aktive Dienst als auch die Bereitschaft sind mittlerweile vom gegebenen Alarm in Marsch gesetzt worden und somit herrscht im Hafen reger Betrieb.
Da es sich sichtlich um einen Angriff handelt wird ohne Verzug das Feuer eröffnet, sobald der offensichtliche Feind in Schussreichweite ist.
Vinzenz gibt darüber hinaus Befehl brennbare Mittel (Öl?) auf die schwimmende Insel zu schießen und selbige mit Brandgeschoßen zu entfachen.
Zusätzliche Truppen aus den restlichen Stadtteilen werden ebenso umgehend angefordert. Bürger werden informiert sich sofort in ihre Wohnstätten zu begeben, wer den Soldaten im Weg ist auf den kann keine Rücksicht genommen werden.
Feuer!
Die Insel ist noch ein ganzes Stück weit draußen, als die ersten Schützen die Gelegenheit beim Schopf packen um ihre neuen Geschütze zu testen. Die Reichweite sei, gemessen an der leichten Bauweise der Katapulte besonders hoch. Über die Treffsicherheit wollten sich die Geschützmeister nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, das gigantische Ziel da draußen auf dem Metcha macht die Frage danach aber wohl auch überflüssig.
So fliegt denn schon ein erstes, einfaches Steingeschoss gen Norden, als wohl die wenigsten einen Schuss erwarten würden. Tatsächlich aber trifft das Geschoss vielleicht 8 bis 10 Vat in das Innere der Mangroveninsel.
Ein zufriedenes Raunen geht durch die Menge der versammelten Soldaten. Sofort werden letzte Justierungen vorgenommen und an allen sieben Katapulten, die in den letzten Stunden rund um den Hafen einsatzbereit gemacht wurden, wird auch die neue Munition verteilt. Mit größter Vorsicht behandeln die Träger diese Geschosse, die in säuberlichen Holzkästchen neben die gewöhnlichen Steine gestapelt werden. Es sind kleine Tongefäße, die mit einem Korken und mit Wachs verschlossen sind. Eine kurze Lunte lugt aus dem sorgsam verschlossenen Ende. Wohl mehr als 20 Stück dieser besonderen Munition werden an allen Katapulten verteilt und es vergehen nur wenige Atemzüge, bis die erste davon abgeschossen wird.
Mit offensichtlichem Respekt und der gebotenen Sorgfalt wird die Kugel eingelegt und die Lunte entzündet. Sofort lässt der Schütze das Geschoss fliegen und alle Augen sind darauf gerichtet. Doch noch bevor irgend etwas passiert, landet die Kugel auf der Insel, scheinbar ohne Schaden anzurichten.
Ein zweiter Versuch folgt, nun brennt die Lunte erst ein paar Atemzüge, bevor das Katapult abgefeuert wird. Immerhin ist nun ein Effekt zu sehen: Noch vor dem Aufschlag auf der Insel zerplatzt das Gefäß und sein Inhalt regnet brennend aber schadlos ins Wasser hinab.
Erst der dritte Versuch zeigt Wirkung und das Geschoss landet in dem Moment der Explosion direkt auf dem diesseitigen Ende der Insel! Jubelrufe werden unter den Mannschaften im Hafen laut, als die ersten Zweige der Mangroven zu brennen beginnen. In die Jubelrufe mischt sich das Geräusch weiterer Geschosse, als die übrigen Katapulte abgefeuert werden. Vier, fünf Salven aller Geschütze folgen direkt aufeinander und die Vorovis zugewandte Seite der Insel steht lodernd in Flammen.
Schemenhaft aber sehr undeutlich kann man hinter dem Feuer Gestalten erkennen, die scheinbar damit beschäftigt sind, den Brand zu löschen.
Mangels offensichtlicher Ziele in Reichweite halten sich die übrigen Schützen mit Bogen oder Armbrust weiter in Bereitschaft, während die Mannschaften der Schiffe auf einen eindeutigen Befehl zum Auslaufen warten.
Vor der Insel sind nun Bewegungen um Wasser auszumachen. Die Späher mit den besten Augen und vernünftigen Gläsern bestätigen, dass es sich um ein etwa ein halbes Dutzend Menschen handelt, die schwimmend in Richtung Vorovis unterwegs seien.
Schwimmende Menschen
Vinzenz, noch immer die Ereignisse beobachtend hat sich in der Zwischenzeit einen kleinen Befehlsstand bauen lassen, mit einem Tisch, darauf diverste Kartenmaterialien, die den Hafen betreffen und ein paar Adjutanten.
Gerade eben gibt er den Befehl ein kleines Schiff den schwimmenden Menschen entgegenzuschicken, damit selbige aufgesammelt werden können, so sie sich friedlich verhalten sollen zwei Sprachberechtigte unter schwerer Bewachung zum Befehlsstand gebacht werden.
Schwimmende Menschen
Die Schwimmer bilden keine zusammenhängende Gruppe und so dauert es seine Zeit, bis sie aus dem Wasser gefischt wurden. Gestört werden sie dabei ein wenig von einem mysteriösen Wellengang, der von der Insel her zu kommen scheint und nach wenigen Minuten die brennenden Mangroven löscht.
Schon beim ersten Anblick der nackten Männer, die da an Land gebracht werden wird klar, dass es sich um vorovische Soldaten handelt, die jedoch in einem jämmerlichen Zustand sind. Sie sind schlecht genährt und haben diverse Schürf- und Schnittwunden am ganzen Körper.
Ihre Hand- und Fußgelenke weisen deutliche Spuren einer Fesselung auf, die offensichtlich mehrere Tage lang nicht gelockert worden ist. Es sind mit Sicherheit keine der Männer, die erst vor wenigen Minuten ihr Glück beim Erkunden der Nebelbank verloren haben.
Zwei von ihnen müssen getragen werden und sind dem Tode nah, die anderen vier sind zwar entkräftet, sind aber bei Bewusstsein und einer fordert gar, zum Oberkommandanten gebracht zu werden.
"Es waren hunderte, tausende von diesen Viechern! Sie waren wild wie Tiere und blutrünstig wie hungrige Teccrakha sind sie aus dem Nichts über uns hergefallen. Wir wollten nur diese Nebelbank erkunden, aber sie haben die Matrosen einfach in der Luft zerrissen und ihr Blut getrunken!" Der Mann hustet und schluckt, dann aber fährt er fort: "Und die sie nicht grausam ermordet haben, haben sie gefesselt und mit sich geschleift. Ohne jede Rücksicht haben sie Männern, die sich wehrten die Arme und Beine gebrochen und haben sie einfach hinter sich her geschleppt wie ... wie ... wie totes Vieh! Und nachher haben sie das hier mit uns gemacht!" Er zeigt auf eine scheinbar frische Tätowierung auf seinem Bauch. Das Muster wirkt aus der Nähe, als sei es lebendig und als bewege es sich.
Der Mann lehnt sich ganz dicht an Vinzenz heran, so dicht es irgend geht, und flüstert ihm etwas ins Ohr.
Feuer!
Von der mächtigen Stadtmauer aus beobachtet Uri den Beschuss der eigenartigen Insel. Ein zufriedenes Lächeln ist auf dem Gesicht des Primus Exteror zu sehen als die ersten Geschosse der neuen Katapulte einschlagen und die Mangroven entzünden.
Als der Jubel der Seesoldaten aufbrandet wendet er sich nickend ab um sich weiter um die Positionierung seiner Leute auf den Mauern zu widmen. Das abrupte erstummen der Rufe lenkt seine Aufmerksamkeit doch wieder auf das schwimmende Landstück.
"Wie bei Hostinos ist das möglich..." sagt er Ungläubig während die letzte Flamme des zuvor verschossenen Drachenfeuers erlischt.
Erst als ein Bote Vinzenz eintrifft scheint er die Fassung wieder zu erlangen begibt sich dann auf direkten Weg zu Kyran und den aus dem Wasser gefischten Männern.
Aufklaren - eine Bürgerin
Auch eine unscheinbar gekleidetet Frau hat die Nebelbank beobachtet. Dabei hat sie sich immer unauffällig zwischen den anderen einfachen Leuten aufgehalten. Als die Bürger aufgefordert werden sich sofort in Ihre Wohnstätten zu begeben, folgt sie dieser Anweisung umgehen und verschwindet in eine der kleinen Gassen am Hafen.