Feuertränen
Der Reichsprovisor war es, der nach seiner Trauerrede den Scheiterhaufen entzündete. Mit einem Fauchen und einem dumpfen Knall, so als risse das Fell einer großen Pauke, loderte eine einzige, riesige Flamme himmelwärts. Das massive Holz, getränkt mit einer stechend riechenden Flüssigkeit, die eigens aus dem geheimnisumwitterten MilWis herbeigeschaft worden war, brannte wie Zunder. Hitze brandete wie eine Welle an die vorderen Reihen der Trauernden, zwang den Reichsprovisor zwei, drei Schritte zurück. Fahnentücher flatterten in Feuersturm nach oben, als wären es Blütenblätter, die sich schloßen, bevor sie in der brausenden Flamme vergingen. Einer nach dem Anderen warfen die Soldaten ihre Fackeln in das verzehrende Toben des Feuers. Feuertränen, die der Himmel weinte. So verlosch der Feuersee, bis nur mehr der Scheiterhaufen brannte, fauchen und lodernd, Haut, Bein und Fleisch verzehrte. Ascheflocken taumelten vom Himmel, segelten im heißen Wind, wie steuerlose Schiffchen, bis sie lautlos herabregneten, auf Mensch und Stein. Krachend brach in einem Vulkan von Funken die Holzkonstruktion in sich zusammen, doch weiter loderten die Flammen in unnatürlicher Hitze und Kraft. Stunde um Stunde fraß das Feuer Holz und Körper, bis die Flammen flackernd erstarben und nur mehr Glut zurückließen. Als das erste Grau des neuen Tages im Osten am schwarzen Samt des Nachthimmels einen Silberstreif zog, erlosch auch die Glut. Kaum Asche hatte das Wüten der Flammen hinterlassen, nur einen Haufen zerspellter, weiß gebrannter Knochensplitter. Von der Zitadelle her kamen die Wagen mit den großen Urnen und Soldaten aller Waffengattungen betteten feierlich die sterblichen Überreste der Gefallenen in die eisernen Gefäße. Der Reichsprovisor hob den Stab des Gesetzes zum letzten Gruß, als die Wagen an ihm vorüber rollten, Richtung Zitadelle. Ein frischer Wind kam im ersten Licht des Morgens auf und wehte den Brandgeruch durch die engen Gassen der Stadt und die Toten waren endgültig heimgekehrt.