Estichà Unterer Markt

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Es heißt, wieder ein Toter...

Fama @, Monday, 03. June 2002, 14:05


Mitten in der Nacht schallt ein Lachen durch die Gassen, hochgepeitscht, verzerrt, wie es nur einem Wahnsinnigen entlockt werden kann. Sinnlos, ohne Witz, ein leises Weinen als Untermalung, wer näher an der Szenerie in der Gasse vor dem Gasthaus war. Stolpern, flüstern, ein ersticktes Röcheln, bleiche Zwysel flüchten in die Nacht. Und weich wie Tau perlt es den Rinnstein herab.

Nur ein leichter Nieselregen aus grauen grieseligen Wolken sprüht die Stadt am Tafelberg in feinen Nebel ein, dampfig stockt die Luft in den Gassen. Weich wie Tau perlt es den Rinnstein herab, der wie Schleier über dier Stadt ausgelegt wurde. Ein Spinnennetz glitzert in der Morgensonne, mit rot beschwert.

Fast schon ein schöner Tag ist es, den die pummelige Priesterin für ihren ersten Spaziergang in der Stadt gewählt hat, um über die Märkte zu schlendern. Aber nur fast. Es ist wohl das erste Mal, dass die kurzsichtige Sinjia ihre weinrote Robe ohne Buch unter dem Arm außerhalb des Tempelbezirks zum Unteren Markt hin spazieren trägt. Sie kennt sich nicht richtig aus, verläuft sich immer wieder in den Gassen.
Eine eigenartige Stimmung liegt in der Luft. Die Männer sind ernst und schweigsam. Die Frauen ängstlich und scheuchen die Kinder ins Haus. Sie dürfen nicht raus zum Spielen. Die Kleinen sind müde und quengelig. Ohne Schlaf hängen sie, zerren sie weinend, plärrend an den Rockschößeln ihrer Mütter.

Weich, ganz weich wie Tau perlt es den Rinnstein herab. Ausgewaschenes rot, das verwässert den Abfluß herabrinnt.

Gähnend schimpfen zwei Marktweiber auf ihrem Weg. "Mei Kleener konnt die halb Nacht ned schloofe...immer g'schrie...." Kopfschüttelt bestätigt die andere. "Mein Mann hat erzählt, vorm Graben wäre mitten in der Nacht so einer ausgetickt, sein irres Lachen hätt man noch bis in die Tempelstadt gehört."
"S'Heeßt doch, 's a Fluch de Gödder. So viel Tode dies Johr.... und des nach dem schlimmste Sturm seit Ewigkeide..."
"Und die Feuersäulen auf dem Meer... in der Garde tuschelt man doch schon von einem Angriff der Vorovianer... das war ein Zeichen..."
"Jo... unn die Gilde... alle tod, ham's g'sacht..."
Lejra sptitzt die Ohren und bleibt stehen auf ihrem Weg, doch die Frauen verstummen, als sie die Priesterin bemerken, und eilen unter eifrigen Verbeugungen davon. Stutzend bleibt die alte Chirà mitten im Regen stehen. Ein Wolkenbruch zieht auf. Kleine Gruppen verlumpter Gestalten stehen am Markt zusammen und tuscheln geheimnivoll. Kopfschüttelnd steckt die Chirà ihre Augengläser wieder ein, als die einfachen Leute schon mit dem blanken Finger auf sie zeigen.
"Was haben wir angestellt, Sinjia?"
"Was machen die Priester, wenn uns die Garde im Stich lässt?"
Abwinkende Hände, unterdrückte Wut. "Wenn 'n Bettler krepiert, kümmert's doch im Rathaus keinen..."
Die Hände in den Taschen stieben die hitzköpfigen Jungspunde auseinander, sobald sich der erste Gardist auf dem Marktplatz zeigt.
Verdattert, nur mit dunklen Ahnungen, flüchtet sich Lejra zurück in den Tempelbezirk. Urplötzlich fröstelnd, und auf ihrem Weg bemerkt die Kurzsichtige gar nicht, wie das ausgewaschene Blut im Rinnstein der Gasse schaumig abfließt, Regenschleier den muffigen Geruch nach Verwesung abdecken. Sie bemerkt nicht die Trage, die zwei bleiche Bauernjungen zum Yoromtempel tragen, ein blutiges Laken, unter dem nur zwei schmutzige, nackte Füße hervorluken. Sie bemerkt nicht, wie zwei Straßenjewakas sich in der Gasse um einen Leckerbissen raufen, das dunkle, lila Fleisch einer Leber.


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