Estichà Unterer Markt

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Blutiges Pflaster (Untermarkt)

Vorovisianer, Wednesday, 02. October 2013, 00:47

Kaum hat sich der Trubel nach der Verkündung der neuen Verfassung gelegt, als das Feilschen, Kaufen und Verkaufen des Marktalltags in all seiner Lautstärke wieder einsetzte. Zwei Männer in einfacher Zivilkleidung schoben sich durch das Gedränge und blieben hie und da an einem Stand stehen um das Angebot in Augenschein zu nehmen. Auch ohne Uniform waren sie leicht als Soldaten zu erkennen. Ihre Art sich gerade zu halten, das kurzgeschnittene Haar, ihre ganze Art sich zu bewegen, war unverkennbar. An einem Stand blieben sie stehen und feilschten im harten Chirjeya der Schwarzen Stadt um ein paar Fische, die im Lager der Vorovisianer so beliebt wie rar waren. Sie einigten sich mit dem Verkäufer, der ihnen mürrisch die Fische überließ und mißtrauisch in die Münzen biss, die er dafür erhielt. Es war ihm anzusehen, was er von seiner Kundschaft hielt, aber er hatte einen guten Preis erzielt und Dublonen waren Dublonen, auch wenn sie in Vorovis geprägt worden waren.
Die beiden Vorovisianer machten einen Bogen um jeden Stand, an dem Andersrassige ihre Ware anboten, sie kauften nur bei Menschen. Schließlich blieben sie an einem Stand mit Obst und Früchten stehen, doch bevor sie noch den Mund aufmachen konnten, brüllte der stiernackige Bauer mit den wässerigen Augen auch schon los:

„Schert euch davon, Ketzergesindel, elendes. Bei mir kriegt ihr nichts, außer einen Tritt in den Arsch.“

Der Mann hatte seine Nummer schon ein paar Mal abgezogen und jedesmal waren die Vorovisianer gegangen. Sie hatten ihre Befehle für derartige Fälle. So schien es auch heute zu sein, der Blonde wandte sich ab, aber sein Kamerad blieb stehen. Bis jetzt hatte er befehlsgemäß alles hingenommen, die entwürdigende Entwaffnung am Tor, die abfälligen Blicke, den Mangel an allem, die Katzen und Mischlinge, den Verlust von Freunden und Verwandten und nicht zuletzt die Schande des Vertrages, mit dem sich Vorovis in das Joch der Ketzer gebeugt hatte, doch die Worte des Bauern brachten das Faß zum Überlaufen.

„Du Mra-Aggar verfluchtes, dreckwühlendes Schwein! Wir haben da draußen für euch Scheißketzer geblutet! Hunderte von uns sind gefallen und ein jeder von ihnen war dutzende Mal mehr wert, als ihr beschissenen Katzenarschkriecher. Ohne uns hätten die Echsen euch die Bälge abgezogen und zum Trocknen auf die Mauer gehangen und du Sack voll Scheiße kommst mir so? Schieb dir den angefaulten Dreck da in deinen Ketzerarsch und sei froh, daß ich nicht mit dem Stiefel nachhelfe!“

Der Mann hatte nicht geschrieen, doch die scharfe, befehlsgewohnte Stimme erregt auch so Aufsehen genug. Schon bleiben die ersten Marktbesucher stehen und ärgerliches Stimmengewirr kam über die abfälligen Worte des Vorovisianers auf. Es wäre vermutlich dabei geblieben, wenn der Bauer einen Funken Verstand in seinem Schädel gehabt hätte, denn der vorovisianische Soldat war schon fast so weit, seinem Kameraden, der ihn am Arm genommen hatte und beruhigend auf ihn einredete, zu folgen. Doch der Bauer, der nicht die geringste Idee hatte, mit wem er sich anlegte, kam wutschnaubend mit hochrotem Schädel hinter seinem Stand hervor und ballte die Fäuste.

„Ich bring euch Manieren bei, Gesindel.“: brüllte er wie eine Lastechse und stürzte sich auf den um fast einen Kopf kleineren Vorovisianer. Er kam nicht weit. Der Veteran blutiger Schlachten reagierte mit der traumwandlerischen Sicherheit, die das Ziel der harten und ununterbrochen Ausbildung der Reichsarmee war. Der erste Schlag kostete dem Elurier ein paar Zähne und brach den Unterkiefer, der Zweite trieb ihm die Luft aus dem Körper und riß ihn von den Füßen. Holz splitterte, Früchte flogen in alle Richtungen, als der Bauer mit dem Rücken voran in seinen eigenen Stand krachte. Blut aus dem zerschlagenen Mund mischte sich mit dem Saft zerquetschter Früchte und verteilte sich auf dem schmutzigen Pflaster des Marktes. Für einige Herzschläge war es still, doch dann brach das Chaos aus.

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