Die trügerischen Ratschläge des Metchà (Untermarkt)
"Die Reichsregierung" - immer wenn wieder eine Verordnung mit diesen Worten unterschrieben war, wenn eine Änderung verkündet oder eine politische Maßnahme an die Elurier herangetragen wurde, dann war es mit großer Wahrscheinlichkeit eine gewisse Person, die dahintersteckte, die über undurchsichtige Entwicklungen in eine seltene Machtposition geraten war, und der es trotz scheinbar gewissenhafter Ausübung ihres Amtes nie gelungen war, eine große Sympathie in der Bevölkerung zu erringen.
Man berichtete von keinem dekadenten Reichtum, von keiner Korruption, von keinen militärischen Abenteuern - Aufbau, Wiederherstellung, Handelspolitik und das Wiederaufnehmen alter Bündnisse waren die Vorzeichen der neuen, bisher unspektakulär leisen und bescheidenen Zeit. Die Person hinter all dem sah man freilich selten bis nie - dann und wann betrat die verhüllte Chirà das Rathaus und verliess es später - sie sollte relativ bescheiden außerhalb des Stadtkerns leben, sagte man sich, ziemlich einsam, sagten andere, und wieder dritte behaupteten, eigentlich nichts über die verhüllte Chirà zu wissen. Sie war eine Heilerin, sie war wohl einmal Richterin gewesen - sie war wohl auch Mutter, aber auf diese fremde, chiranische Art, die selbst die Familie als Angelegenheit des Clans sah.
Es sind die Abende, an denen die hochgewachsene Gestalt (eine Silhouette im Bett der langen Schatten nur, eine Skulptur aus Schwärze in der Düsternis der hereinbrechenden Nacht) mit langen Schritten am Ufer des Metchà heranschreitet, das verhüllte Haupt dem Wind entgegengereckt, die Pfoten zu trotzigen Fäusten in den Manteltaschen geballt. Alleine, mit ihrer Asnichara bewaffnet, die gelben Augen brennend, aber freudlos. Sie scheitern immer wieder an der Palisade der Wehranlage, die den Blick an sich zerschellen lässt wie auf der anderen Seite die Wogen des Meeres. Allein die gespitzten Ohren unter dem teuren, schimmernden Stoff lauschen - lauschen auf die trügerischen Ratschläge des Metchàs, seine Melodien, seinen Trost, seine Lügen, die Ahnung von Ferne, die er mit sich bringt - alles gekrönt mit dem schäumenden Weiß seiner Brandung.
Ein Schatten in den Schatten
Leise schnüffelnd huscht ein Zwysel an der Mauer entlang, nutzt es den Schutz der hereinbrechenden Dunkelheit.
Dem verführerischen Duft des Abfalls aus der Gosse folgend, kratzen seine Pfoten schabend über den Grund.
Sichernd wendet das Zwysel den Kopf , lauscht, ehe es sich aus den Schatten wagt, sich gierig über die Reste hermacht.
Lautlos fällt ein Schatten herab, ein Quieken, rascheln , ein kurzer Kampf dann.... Stille.
Die Beute fest im Nacken gepackt, peitscht der Schwanz der Chara über den dreckigen Boden.
Lebendiger scheinen die Schatten in diesen Nächten zu sein.
Häufiger jammert des Abends ein Kind, das es dort in den Schatten etwas gesehen hätte.
Misstrauisch leuchtet der Ängstliche mit der Öllampe noch einmal in die dunkle Ecke des Zimmers.
Welche Ereignisse werfen ihre Schatten voraus?
Zufrieden schmatzend macht sich die Chara über ihre Beute her, bewegt sich nah bei ihr eine Gestallt in den Schatten.
Ebenso leise wie die Chara bewegt sie sich vorwärts, bewegt sie sich so sacht, das die Fressende nicht einmal den Kopf hebt.
Verschmolzen mit dem dunklen Hintergrund entzieht sie sich den Augen zufälliger Beobachter, bleibt für einige Herzschläge verschwunden.
Unerwartet taucht sie in der Nähe der einsam Schauenden wieder auf, verharrt reglos, schweigend.
Bedrohlich?
Beobachtend?
Wachend?
Sollte sich die Drakha umwenden, wird sie den Schatten in den Schatten entdecken können, verharrt dieser weiter,
reglos, schweigend.
Ein Schatten in den Schatten
Die Drakha sieht zum Metchà - wohin der Schattentänzer blickt, ist nicht bekannt. Die Ohren zucken unter der Vermummung, als plötzlich der Blick zur Seite huscht, vom gewohnten Einerlei des Wassers fortstrebt, und sich im Schwarz in Schwarz der Schatten verirrt. Die schwach fluoriszierenden Katzenaugen vertiefen sich in die konkurrierende Düsternis, ehe unmerklich die Schultern der Kriegerin etwas emporwandern. Der fremde Beobachter wird selbst zum Beobachteten.
"Tajas ichè Vesana.", sagt die dunkle Stimme der Justizministerin schließlich nach einer Weile leise. "Oder Vanor, wenn Euch dieser lieber ist."
Ein Schatten in den Schatten
Kaum gewahrt der Schatten, das sich die Chira auf ihn zubewegt, zieht er sich weiter in den Schutz eines Felsbrockens zurück, der von den Aufräumtrupps noch nicht abtransportiert werden konnte.
"Tajas ichè Endrakha" wird aus dem Dunkel zurück gegrüsst.
"Vermutlich ist diese Euch lieber. Zwischen Vesana und Vanor besteht eine gewisse Verbundenheit.. kennt ihr die Legende der Entstehung des versunkenen Waldes?"
Die helle Stimme ist mit dem Klang des Akzentes aus Chian gefärbt, nicht sehr strak, doch ausgeprägt genug, um einer aufmerksamen Zuhörerin nicht zu entgehen.
Ein Schatten in den Schatten
Yinuas Blick wandert wieder auf das Wasser hinaus, als der Schatten ihrem Blick aus- und in die tiefere Düsternis zurückweicht, wenngleich der Klang der Stimme dem Katzenschwanz einen raschen Wellenschlag abnötigt.
"Natürlich.", entgegnet sie leise. "Ein verwunschener Ort, verboten, gefährlich und reizvoll in den Weiten der Urwälder, eine Erinnerung und ein Sinnbild für eine Liebe, die zwei Prinzipien und zwei Welten miteinander verband."
Einen Moment hält die Drakha inne.
"Aber gerade ihr solltet wissen, dass man die Gottesverehrung eines Gläubigen nicht an seinem äußeren Schein ablesen kann. So sehr eine solche Schätzung ins Schwarze treffen kann, so sehr kann sie auch fehlgehen."
Ein Schatten in den Schatten
"Eine Liebe, die nur unter dem Schutz Vesanas gedeihen konnte."
erwiedert die Stimme aus dem Dunkel. "Vesana hat sich durch ihren Eigensinn den Zorn Hostinos zugezogen."
Eine Weile ist nur der Klang der rauschenden Wellen zu hören, aus einiger Entfernung erklingt das fragende Maunzen einer Chara, gefolgt von leisem Gebell.
Die Dunkelheit breitet sich wie eine Decke über die Stadt, verbergend und schützend zugleich.
"Das Offensichtliche dient nur all zu oft dazu, vom Eigentlichen abzulenken. Ist es bei Euch nicht ebenso?"
deutlicher tritt nun der Akzent zu Tage, erklingen die Worte im weichen Sing-sang Chians.
wachsendes Unbehagen
Yinua verengt die Augen, und wirft einen schnellen, nun etwas ungehaltener funkelnden Blick in Richtung der spitzfindigen Schattengestalt. Die Schultern der Kriegerin straffen sich, ehe sie schroff antwortet: "Ich habe Hostinos nicht verärgert, und das werde ich auch nicht. Ich bin nur eine sterbliche Chirà. Das ist das Eigentliche und zugleich das Offensichtliche." Die ungeduldige Drakha bohrt ihren glitzernden Blick in die wabernd-schattenhaft nächtliche Tiefe, ehe sie, einen Schritt zurückweichend, aufgibt.
"Wir Chirà kennen immerhin einen Begriff von Ehre, der es uns verböte, im Schatten hockend Andeutungen und Spitzfindigkeiten von uns zu geben. So strapaziert ihr meine Geduld.", raunt sie dunkel, nicht ohne zu argwöhnen: "Und habt vermutlich noch jede Menge Spaß dabei."
wachsendes Unbehagen
Ein amüsiertes Lachen erklingt undefiniert aus der Höhe, distanziert und doch unerkannt teilhabend an der Zwisprache zwischen tanzendem Schatten und funkelnden Katzeniriden. Auf einem Mauervorsprung stehend, zerwühlt der salzige Odem des Meeres weiße Stoffetzen, die einen schlanken Frauenkörper in geisterhafte Unruhe hüllen. "Autsch. Eins zu null für die Katze." kommentiert sie belustigt, lehnt dabei locker mit der Schulter gegen die Hauswand und lässt die Mondhellen Schleier in zuckendem Reigen ihr Antlitz verhüllen.
wachsendes Unbehagen
Kaum war das Lachen aus luftiger Höhe erklungen, gleitet die Tatze zum Heft der Asnichara, und gibt mit einem feinen Surren die Klinge frei, die das fahle Mondenlicht auf der Schneide spiegelt. "Ha!", stößt die Drakha verblüfft aus, während Klingenspitze wie Blick immer wieder von der geisterhaft Verhüllten zu der chian-akzentuierten Schattengestalt huscht.
"Das sind hier ja - einsame Gestade. Was für ein eigenartiger Zufall." Die gelben Augen glitzern schmal, ehe ein tiefer Atemzug sich ihr entringt.
"Ist das ein Hinterhalt?", richtet sie dunkel die Frage an die Nachtgestalten, wobei die Ernsthaftigkeit nicht von einem ironischen Unterton geschmälert wird, der feinen Spott in die angerauhte Stimmlage der Drakha streut. "Wird gleich noch ein geschuppter Mitverschwörer aus den Wassern aufsteigen, damit ihr euch im Vorteil wiegen könnt?"
wachsendes Unbehagen
Fast zeitgleich mit dem Lachen aus luftiger Höhe erklingt ein perlendes glockenhelles Lachen aus den Schatten.
"Ahh, das Lieblingsargument der Katzen, ihre Ehre." erklingt die Stimme deutlich amüsiert.
Ein wenig löst sich die Gestallt aus der schwarzen Düsternis, heben sich die Konturen nun deutlicher vom dräuenden Dunkel ab.
Deutlich kleiner als die Drakha bleibt die Figur schwer zu fassen, scheinen die Konturen immer wieder mit dem Schatten verschwimmen zu wollen.
"Denkt Ihr nicht das die Schatten und Zwysel eine andere Auffassung von Ehre haben? Offensichtlich besitzt die dort oben ebensowenig Ehre wie ich, zeigt sie sich zwar offensichtlich, aber das Eigentliche zeigt sie uns nicht..egal wie artig sie der Katze applaudiert."
Reglos verharrt der Schatten, den Kopf eindeutig dem Wesen auf dem Vorsprung zugewandt.
"Von meiner Seite aus habt Ihr nichts zu fürchten, Ministerin."
Ehren-Schnickschnack
Die Geisterhafte legt verdutzt den Kopf zur Seite, während ihr Blick auf die Gestalt in den Schatten gerichtet ist. "Hä?" fragt sie plump. "Was hat denn das jetzt mit mir zu tun? Ich hab hier nicht das Ehrenfähnchen geschwänkt und fühle mich auch nicht genötigt selbiges zu verteidigen..." gelangweilt hebt sie die Schultern und verschränkt dann die bandagierten Arme vor der Brust, scheint es ihr doch eigentlich reichlich egal. "Aber wenn wir schon dabei sind: Die Drakha rechtfertigt ihre Vermummung als Clanstracht, sodass ihre wahre Erscheinung die eigentliche Tarnung wäre. Für mich gilt wohl das selbe." sie lacht gut gelaunt und winkt ab. "Vor mir hat man generell etwas zu befürchten, aber mich trieb die Langeweile her und die hochtrabenden Weisheiten die hier durch die Nacht kriechen waren kaum zu überhören, daher habe ich nichts geplant, sondern amüsiere mich nur spontan."
Ehren-Schnickschnack
Die Drakha verfolgt den Disput nicht ohne einen heiteren Widerschein in den gelben Augen. Die Asnichara sinkt langsam herab, und mit einem Schulterzucken wendet sich die Chirà halb von ihrer zweierlei nächtlichen Spontanbegleitung ab. "Habt ihr denn Namen, auf die ihr des Nächtens in den morastigen Vierteln und rumtrunkenen Straßen hört?", erkundigt sich die Drakha leise. "Das wäre dann etwas, was ich aus dieser Begegnung mitnehmen kann, ehe ich mich von euch abwende, und die Einsamkeit suche, die ich bis vor kurzem schon als gefunden erachtete."
It's time to say goodbye
Wieder erklingt das perlende Lachen.
"Einsamkeit? Hier? Das ist ein guter Scherz. Ihr seid eine Person öffentlichen Interesses.... Ministerin, den Ort, an dem Ihr einsam sein könnt, müsst Ihr besser wählen."
Leise raschelt Stoff, während sich die Konturen des Schattens erneut zu verflüchtigen scheinen.
"Fragt nach Schattentänzer.... Tajas ichè Mra Aggar" verabschiedet sich die helle Stimme.
Augenblicklich verschmilzt der Schatten mit dem Dunkel, entschwindet den Augen der beiden Anderen, um endgültig in der Nacht zu verschwinden.
Namenlos
"Immer diese Schatten und ihre wahnsinnig beeindruckenden Abgänge." erwidert die Geisterhafte mit träger Stimme, doch man kann das zynische Grinsen unter dem Schleier wohl erahnen, während sie der Entschwindenden nachschaut. "Ich geh nicht davon aus, dass du jemals nach mir fragen wollen würdest. Und wenn doch, hab ich vermutlich eher die Stadtwache vor der Tür stehen, als einen einsamen Küstenvogel auf der Suche nach Gesellschaft. Aber selbst wenn, könnte ich dir keinen Namen nennen. Ich habe keinen - bin nur eine Laune der Götter." sie hebt die schmalen Schultern, macht dann einen Satz und spring von der Mauer aufs Pflaster hinab. Die Gestalt unter dem fließenden, weißen Stoff wirkt reichlich mager, windet sich die Tuche eng um die dezenten weiblichen Rundungen und vermittelt eine trügerische Zerbrechlichkeit. Ein Torràkha, eine der lang vergessenen Nahkampfwaffen, die in uralten Zeiten die ruhmreichsten Schlachten anführte, hängt an der schmalen Hüfte der Geisterfrau und gibt ihrer sonst so nebulösen Erscheinung eine deutliche Tendenz zu Fleisch und Blut.
Namenlos
Die Ministerin, die mit distanzierten Blick und noch immer einer gewissen Anspannung im Körper, dem Schattentänzer bei seinem Rückzug zugesehen hatte, wendet ihren Blick zur mageren, geisterhaften Gestalt, die dennoch doch vermutlich genau wie sie aus Fleisch und Blut bestand, eine gewisse Vorlieben für verlassene Küstenlandschaften hatte, und zudem eine alte Schlachtenwaffe an der Hüfte trug. Sie nickt der namenlosen Gestalt zu, und macht einen Schritt zurück. "Darin habt ihr mit sicherlich allen anderen etwas gemeinsam - eine Laune der Götter zu sein.", erwidert die Verhüllte lakonisch, mit einem leichten Funken von Wehmut in den gelblich schimmernden Augen. "Tajas ichè Vesana, Unbekannte." Sie hebt die linke Pfote, lässt mit einem kühlen Sirren die Klingenwaffe zurück gleiten, und wendet sich um, um sich mit langen Schritten parallel zur Küstenlinie zu entfernen
Namenlos
"Bei den Einen haben sie einen schlechteren Humor bewiesen, als bei Anderen." erwidert die Frau lachend, blickt der Drakha dann noch einen Moment aus glimmenden Augen nach, ehe sie sich umwendet und ihren ziellosen Spuk durch die Stadt fotsetzt.