Ist das noch Punkrock? - viele Abschiede (Untermarkt)
Es ist gegen späten Vormittag. Schon bald wird der mittägliche Regen einsetzen, da passiert eine Kutsche die Unterstadt, und steuert auf das Osttor Estichàs zu. Auf dem Kutschbock sitzen zwei muskulöse menschliche Männer in lederner Rüstung. Die kleinen Fenster der Kutsche sind mit hellen Vorhängen zugezogen, nur ab und an schiebt ein Finger den Stoff etwas zur Seite, und gelbe Katzenaugen werfen einen Blick nach draußen. Unaufgeregt, aber zügig verlässt die Kutsche Estichà.
Ein gutes Stück außerhalb der Stadt wird man, von Gehöften oder von den Lagern der vor Estichà lebenden Flüchtlinge aus, sehen, wie die Kutsche kurz anhält. Eine verhüllte und bewaffnete Chirà steigt aus, sieht noch einmal in die Kutsche hinein, und gibt dann mit der Hand das Signal zur Weiterfahrt. Eine Weile steht Yinua da, mit erhobener Hand, und sieht dem Gefährt hinterher. Nur langsam sinkt der Arm herab, ehe sich die Frau dann, tränenblind, auf den langsamen Rückweg nach Estichà macht.
Ist das noch Punkrock? - zu viel Gefühl
Aus der Richtung, in der die Kutsche verschwindet, erscheint zur gleichen Zeit ein berittener Karkechhengst, der mit gebogenem Hals und in zügigem Trab an dem Gefährt vorbei rauscht. Nur kurz gleitet der Kopf der schwarzgerüsteten Reiterin zur Seite, um der Kutsche einen Blick zuzuwerfen, dann richtet sie ihre Aufmerksamkeit jedoch wieder auf den Weg - und erstarrt. Der Hengst wird prompt gezügelt, wiehert unwillig und trippelt bockig, doch die Reiterin hält ihn am harten Zügel und ignoriert seine Faxen. Unschlüssig schaut sie der verhüllten Gestalt nach, die sich gerade abwendet, dann drückt sie ihrer Echse die Hacken in die Flanken und lässt ihn zügig aufschließen. Neben der Chirà angelangt, senkt sich der tätowierte Arm der Endrakhi hinab, in der Hand ein schwarzes Tuch, welches sie der Tränenblinden wortlos und ohne sie anzusehen entgegen hält.
Ist das noch Punkrock? - ...
Sobald das Reittier sich der Chirà nähert, tritt jene etwas in das Gebüsch zurück und wirft einen Blick über ihre Schulter; die rechte Hand gleitet wachsam auf den Knauf der Asnichara. Dann aber steigt ein Ausdruck von Verwirrung und Erleichterung in die rotgeränderten Katzenaugen, als die Verfolgerin erkannt wird.
Der Griff um die Waffe lockert sich, so dass die Drakha mit schneller Geste die kleine Gabe entgegennehmen kann, die ihr von der aufschließenden Priesterin gereicht wird. Der suchende Blick der Chirà in das blasse Antlitz Lynelles findet keine Erwiderung, und so wandert auch das Augenmerk Yinuas wieder zu den trutzigen Stadtmauern Estichàs, die vom Ende des Weges aufragen. Wie ein geöffnetes Raubtiermaul das Osttor und das geschäftige Treiben davor.
"Hab Dank.", flüstert Yinua rauh zur stummen Endrakhi und hebt zögernd das Taschentuch an ihre Augen, um sie zu trocknen.
Ist das noch Punkrock? - nur drei Akkorde
Als die raue Stimme erklingt, neigt sich der kurzgeschorene Schopf scheinbar ungewollt doch etwas zur Seite. Ihre Augen finden das Profil der Bekümmerten, mustern das von Schleiern verhüllte Antlitz. Die harten Züge der Endrakhi bleiben starr, doch mögen sich ihre Augen der Kälte nicht so recht anpassen und betrachten die Tränen der Drakha mit ungewohnter Emphatie.
Yinuas Dank wird jedoch nur mit einem leichten Nicken bekundet, dann gibt die Jägerin ihrem Hengst die Sporen und treibt ihn an, um der kurzen gemeinsamen Wegbeschreitung zu entkommen und in gewohnt wildem Tempo auf die Stadt zuzujagen.
Ist das noch Punkrock? - nur drei Akkorde
Schon bald verdeckt eine Staubwolke die davonjagende Gestalt der Priesterin. Diese ist schon längst in dem Raubtierschlund Estichàs verschwunden, als der prasselnde Mittagsregen einsetzt, von welchem durchnässt dann auch eine Weile später Yinua die Stadt betritt, um in der Vielzahl ihrer Straßen und Gassen zu verschwinden.