Vor nicht allzu langer Zeit an einem anderen Ort. (Untermarkt)
Beinahe jeder erinnert sich an die Rede Marias in der sie von der Bedrohung erzählte die sich bei Metchiya erhebt. Aber erinnert sich jemand daran das zu diesem Zeitpunkt bereits einige Gerüchte die Runde machten? Gerüchte aus der Allianz, mitgebracht von dem ein oder anderen Händler der den Weg über die Brücke zurückgelegt hatte. Vermutlich kaum jemand. Und doch werden derzeit eben diese Gerüchte lauter. Beinahe täglich kommen neuere Berichte hinzu, nicht nur von Händlern, auch aus Zeitungen welche sie im Gepäck haben, aus der Hauptstadt der Allianz.
Nach und nach erfahren somit auch die Bewohner Estichas was sich vor nicht sehr langer Zeit andernorts zugetragen hat...
Dutzende von Jahren liegt es zurück, seit der große Kastenrat außerhalb der alle drei Jahre stattfindenden Versammlung zusammengerufen wurde. Seit Tagen schon wehen die haushohen Banner der fünf Kasten über dem Dom Aviajar, der auf einem schroffen Bergrücken thront. Einst, vor Jahrtausenden, markierte der zerklüftete Fels die Grenze der Allianzhauptstadt, doch schon längst umspült die Stadt wie ein Meer den domgekrönten Berg. Unübersehbar im Zentrum der weitläufigen und über die Zeit immer höher gewachsenen Gebäudekomplexe auf seinem Rücken erhebt sich die Kuppel der Großen Halle. Man könnte sie als elegant und schwebend bezeichnen, würde sie durch ihre schiere Größe nicht eine geradezu arrogante Demonstration von Macht und Herrschaftsanspruch darstellen.
Am heutigen Tag der Versammlung wimmelt es am Fundament des Doms von Soldaten und Wachen, die die zahllosen Schaulustigen bis fast an den Fuß des Berges zurückgedrängt haben. Noch bevor das Delvanslicht sich als erstes Glühen des östlichen Himmelsgewölbes ankündigte war es an den Vertretern der Bauernkaste, den Dom zu betreten. Über Stunden hinweg schluckte der Dom Aviajar Schlangen von Abgesandten der Clans der Alchenam und Ecibarra, keineswegs einfache Bauern und kleine Handwerker, sondern meist Großgrundbesitzerinnen, Emporkömmlinge (wie sie von den Chrania genannt werden), Sklavenhalterinnen, Händler, Industrielle, zu Macht und Einfluss gekommen durch das Diamantene Zeitalter, das zwischen den neuen Kristalltürmen der Allianzhauptstadt ihren Anfang nahm.
Das glühende Lichtband des Delvanfeuers hat schon längst seine Position über der Hauptstadt verlassen und hängt über den Dschungeln der Senke als immer mehr Kutschen mit den Symbolen der Mondrai, Akkra und schließlich auch Chrania vorfahren. Flankiert von zahllosen Wächtern und Sklaven schälen sich Clansherrinnen in Begleitung ihrer Alphas aus den Karossen und je später es am Tag wird, desto eindrucksvoller wird ihr Aufmarsch. Eine Hundertschaft von Trommlern begleitet mit donnerndem Rhythmus den Einmarsch der Elite der Allianz. Bannerträger, die Symbole der Clans stolz in den warmen Ostwind haltend schreiten voran, schwere Stiefel knirschen unter prunkvollen Kriegsmänteln, lange Asnichare pendeln an schlachtengezeichneten Gürteln. Jeder der immer bedeutender werdenden Clans führt Wachen, Sekretärinnen, Sklaven, Dienstboten mit, sie alle durchschreiten das gewaltige Portal in den Dom. Clansherrinnen der Mondrai in vollem Kampfornat, riesige Hünen an ihrer Seite, die stählernen Leiber in die Muskalatur betonende Panzer gefasst, Prozessionen von Kriegerinnen und Kriegern, Meister aus uralten Akademien, Veteraninnen aus Chiang-Mey, schließlich die mehrere Dutzend Kriegerinnen und Krieger große Abordnung der Drakha, die waffenstarrende Gruppe der Cerrakhan, die endlos erscheinende Abordnung der kriegerischen Mriantar.
Lange Roben und Mäntel gleiten über den den in Jahrtausenden ausgetretenen Steinboden des Durchgangs in den Dom als die wichtigen Clans der Akkra einmarschieren. Für den Außenstehenden ist die Reihenfolge der Clans und Kulte nicht zu durchschauen, doch tagelang wird an den Aufmärschen gefeilt, Rang und Name entscheiden darüber, wer früher und wer später in den Dom einzieht. Kolonnen von Delvanrittern, die Helme unter die Arme geklemmt, fast nur männliche Chirà treten schweigend, mit unbewegter Mine und ruhigem Blick in die Halle, Endrakhapriesterinnen in engen schwarzen Rüstungen folgen ihnen, Clans, die sich ganz Vesana oder Arivara verschrieben haben treten, umgeben von einer Aura der Mystik und Wissens in die Halle und steigen die Stufen der Ränge hinauf, die sich in zahllosen Ringen steil nach oben hin ansteigend um das zentrale Rund scharen.
Voller Prunk und modischer Extravaganz treten schließlich die Clans der Chrania in den Dom. Begleitet von teuren Söldner und noch teureren Leibsklaven erfüllt die chiranische Aristokratie die Hallen unter der Kuppel mit Glanz. Oft in strahlendes Weiß mit Gold und Gemmen gekleidet, manche in prunkvollen Rüstungen, andere in leichte Stoffe gehüllt, die Durchblick auf gepflegtes Fell bieten, ziehen die Herrscher über Ländereien, Handelsimperien, Fabrikanlagen und Monopole in die Ränge ein und füllen die letzten Plätze.
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- Vor nicht allzu langer Zeit an einem anderen Ort. - Fama, 08.10.2011, 21:02 (Untermarkt)
- Vor nicht allzu langer Zeit an einem anderen Ort. (Teil II) - Fama, 08.10.2011, 21:07