Mra Shora (Untermarkt)
Ein leichter Luftzug ist es zunächst nur, der am späten Nachmittag über das Meer weht, über die Docks und um die Tempeltürme und -kuppeln der Stadt streicht. Doch niemand der Estichaner denkt dabei an den leichten, angenehmen Schauder, den die leichte Kühle nach den Tagen drückender Schwüle bringt, viele richten ihren Blick gen Westen, hinaus aufs Meer. Schwach sind dort im Südwesten die kleinen Eilande von Yanàla auszumachen. Man scheint dem trüben Dunst fast zusehen zu können, wie er sich auflöst und von den Mauern der Oberstadt aus meint man, gar bis nach Shettema blicken zu können, die Insel als träge, langgestrecke Landmasse fern am Horizont ausmachen zu können.
Doch viel Zeit zum Genießen der Aussicht bleibt nicht, denn noch etwas anderes ist zu sehen, wenn man in diesen Stunden gen Westen blickt. Über dem ganzen Meer baut sich, soweit das Auge reicht, eine Wolkenfront auf. Wolken türmen sich auf, quellen eilig in die Höhe, werden weiß vom über der Westwildnis stehenden Sonnenring beleuchtet, während sich an ihren Unterseiten das Weiß in ein dunkles Grau verwandelt, ab und an von Blitzen durchwoben.
Sorgenvolle Betriebsamkeit ergreift spätestens jetzt die Stadt, wo klar ist, dass Mra Shora, der Große Sturm sich bereit macht, Estichà beim Anbruch der Nacht zu erreichen.
[...]
Schon seit einer Stunde tobt der Sturm über Estichà, wirft Brecher um Brecher an die Kaimauern und Klippen und fegt über die Dächer der Stadt. Doch irgenwie kann das nicht alles sein - dieses Gefühl haben alle Bewohner der Stadt, egal, ob sie nun hinter dicken Tempelmauern sitzen, in großzügigen Villen in der Oberstadt, in den hohen, turmartigen Häusern der Unterstadt oder in einem Loch in der Kanalisation. Unerfreulich ist die Kanalisation übrigens... die starken Regenfälle lassen Wasser die Straßen hinabschießen und so manche Passage im Kanal hat sich schon in ein tückisches, rutschiges Bachbett verwandelt, Wasserkaskaden ergießen sich von Brücken hinab in die Eingeweide der Stadt und drücken viel angesammelten Schlamm und Unrat in die tiefergelegenen Teile der Kanalisation. Schon beginnt sich der Hafenplatz mit Wasser zu füllen, sowie vom Meeresgischtwasser als auch vom einströmenden Wasser aus den höhergelegenen Stadtteilen.
Als der Sonnenring zur Stunde der Mra-Aggar, dem Beginn der Nacht, schließlich ganz verlöscht, erfüllt für einen Moment eine eigentümliche Ruhe die Luft. Für einen Moment wird das Tosen des Windes leiser, weniger stark zerrt es an den Dachziegeln, sogar der Kübelartige Regen scheint nachzulassen, wird geradezu zu einem unscheinbaren Nieseln. Doch kaum hat es begonnen, da frischt Saniaks Atem wieder auf, bläßt eisig durch die Gassen und der feine Regen landte in Eiskristallen am Boden. Immer größer wird Yoroms Element, bis es sich in Cuva großen Klumpen prasselnd auf die Dächer und Straßen ergießt. Stunden hält dieses Schaupsiel der Götter an und hinterlässt zum Glück nur kleinere Schäden, die alltäglich wirken. Die unglaubliche Kälte jedoch bleibt und nicht Regen ist es, der dem Hagel folgt, sondern Schnee! Mra Shora tobt über Estichà, schiebt Wolken um Wolken über das Meer zur Stadt, lässt eisige Luft direkt aus Yoroms Reich über Estichà hineinbrechen und die ersten Dächer schon mit dem Element des Todes, der Farbe der Toten, dem Weiß, bedecken.
Unterschlupf
Verbarrikadieren sich nun die meisten Leute in ihren Häusern, verrammeln Fenster und Türen und schicken ein Stoßgebet an Sanikas, dass er dieses Jahr milde walten lassen möge, gibt es doch noch Wenige, die ihren gewählten Unterschlupf erst noch geschwind aufsuchen müssen, bevor Mra Shora über sie herein bricht. Ein Karren hält am Mittag vor dem Handwerkshof Charmain und sammelt dort die junge Körperkünstlerin Lynnea, samt ihrem Jewaka, einem abgedeckten Käfig und spärlichem Handgepäck ein, um mit ihr zusammen gen Stadttor zu rumpeln und schließlich die Stadt zu verlassen.
Durch den Sturm
Als der Sturm einen Augenblick den Atem anhält, verlässt eine in dicke Tücher gehüllte Gestalt den Drachen mit einem grösseren Bündel auf dem Rücken. Vorsichtig sieht sie sich um und huscht dann hinauf Richtung Unterer Markt.
Vor den Eiskristallen bringt sie sich hin einem Hauseingang in Sicherheit und kauert dort zitternd in einer Ecke. Das Bündel fest an sich gedrückt wartet sie auf eine erneute Ruhepause. Ihr Atem steigt bereits nach kurzem als weisser Dampf unter der Kapuze hervor. Da die eisige Schauer kein Ende zu nehmen scheint, rafft sie sich wieder auf und kämpft sich weiter vor. Als ein Klumpen ihre Schulter trifft, schreit sie schmerzerfüllt auf und taumelt in den nächsten Hauseingang.
Am Morgen danach ....
.... verläßt ein Trupp Reiter die Prinzipalenvilla. Insgesammt sind es sieben Personen, allesamt dick vermummt, in mit Wolle gefütterten, ledernen Umhänge. Gemächlich reitet man zuerst am Rathaus vorbei und prüft ob oberflächliche Schäden zu erkennen sind. Danach schlägt man den Weg zur Unterstadt ein. Am Oberen Markt angekommen trennt sich eine Reiterin von der Gruppe und reitet Richtung Hafen davon. Der Rest der Gruppe, allen voran Prinzipal Charmain, reitet zuerst in die östlichen Teile der Stadt, wo nun die Bestandsaufnahme der Schäden beginnt. Systematisch geht es dann durch die ganze Stadt und es dauert bis in die frühen Nachmittagsstunden, bis der Trupp wieder bei der Prinzipalenvilla eintrifft. Während man nun im Rest der Stadt noch auf Gerüchte angewiesen ist, wie schwer die Sturmschäden heuer ausgefallen sind, weiß ein Mann es nun ganz genau und tüftelt schon wieder an Plänen, um die Schäden der kommenden Jahre noch geringer zu halten.
Zum Badehaus
War sie noch mit der Gruppe aus der Prinzipalenvilla aufgebrochen und bis zum Oberen Markt mitgeritten, trennte sie sich nun von der Gruppe. Kurz winkte sie der Gruppe zu und machte sich dann auf den Weg zum Badehaus um dort nach dem Rechten zu sehen. Wie schon zuvor am Rathaus ritt sie gemächlich um das Gebäude herum und nahm es oberflächlich in Augenschein. Danach lies sie es sich aber nicht nehmen vor dem Haupteingang abzusteigen, ihr Reittier anzuleinen und sich im inneren des Badehauses umzusehen.
Als sie die Stufen zum Eingang hinaufging schob sie die Kapuze des Umhanges zurück und ihre langen roten Locken wurden sichtbar und spätestens jetzt war auch zu erkennen wer hier nach dem Rechten sah.
Derdia öffnete die Eingangstür und betrat das Badehaus. Drinnen schaute sie sich mit einigen Angestellten alles ganz genau an und würde bei eventeullen Schäden auch gleich deren Reparatur veranlassen. Sie prüfte alles sehr genau und gewissenhaft und hielt ihren Rundgang auch noch in einer kurzen Notiz fest.
Dann machte sie sich wieder auf den Weg zur Villa des Prinzipalen, natürlich wurde die Eingangstür wieder sorgsam verschlossen.
Der Morgen danach
Am Morgen nach dem Sturm, als die kurze Windstille eingekehrt ist, ehe die zweimonatige Regenzeit einsetzt und der Wind wieder in die richtige Richtung blasen wird, ist das Weiß sicherlich schon beinahe verschwunden und nur ein wenig Kühle bleibt zurück. Doch auch die Ministerin für Finanzen und Inneres reitet in einen wollenen Umhang gehüllt vom Tafelberg aus in die Stdat, um bei ihren Betrieben nach dem Rechten zu sehen, ehe sie sich zum Rathaus begibt. Glücklicher weise scheint es in diesem Jahr keine nennenswerten Schäden zu geben.