Auf der hellen Seite der Macht (Untermarkt)
Unermüdlich, unerschöpflich: Tagaus, tagein sieht man die Patroullien der ehrenhaften estichàner Stadtwache trotz Personalkürzungen, eingefrorener Gehälter und Engpässen in der Führungsetage die Straßen und Gassen der Stadt abschreiten, Rikjadiebe verjagen, Charas aus den Bäumen retten, und alten Damen über die Straße helfen. Hohe Ideale, martialische Lederrüstungen, blau-weisses Stadtwappen und vorbildliche Frauenquote - das sind die wesentlichen Qualitäten der Stadtwache unter Ehados Berelion. Jedoch sind die goldenen Zeiten der Stadtwache, damals unter Maria Villa Lobos, lange vorbei. Wegen zu weniger Anwärter, weil immer mehr junge Elurier lieber Koch, Kindermädchen, Falschspieler oder Vergnügungstänzerinnen in abgewrackten Schuppen werden, können viele Offiziersposten gar nicht mehr adäquat vergeben werden. Man munkelt, man könne derzeit so leicht Karriere in der Stadtwache machen, wie vielleicht noch nie.
Manche Gerüchte scheinen sich schnell zu bestätigen - so sieht man die Stadtwache mal wieder eine großangelegte Rekrutierungsaktion durchziehen. Schon morgens breitet auf dem unteren Markt ein Harac ein Transparent aus, auf welchem steht:
"Du liebst Estichà, willst es schützen und bewahren - vor Verbrechen und Gefahren?" Dieses Transparent ist den Bürgern sicherlich schon bekannt, wurde es doch für die letzte Rekrutierungsmaßnahme eigens angefertigt. Jahivial muran Elanda Trosz soll den Pinsel hellblauer Farbe geführt haben, und die Charafußspuren, die, ebenfalls blau, halb über das Transparent, ehemals Bettlaken laufen, stören kaum. Neben dem Transparent befindet sich an exponierter Stelle ein Stand, an dem hochmotivierte Soldaten sich daran machen, den Eluriern den Beruf des Gardisten schmackhaft zu machen. Unter ihnen ist der Kommandant persönlich, Ehados Berelion. Das lange, leicht gewellte, blonde Haar ist im Nacken locker zusammengefasst. Der Waffenrock in den blau-weissen Stadtfarben, der über seiner ledernen Rüstung angebracht ist, trägt das Abzeichen des Jahajas. Freundlich grüßt er jene, die sich nähern, und verwickelt sich auch mal in das eine oder andere Zwiegespräch. "Qualifikationen, fragt ihr?", sagt er zu einem jungen Tagelöhner. "Nun, es geht nicht so sehr um Waffenkenntnisse, wie viele denken, die sind oft auch rasch erlernt. Wirklich unverzichtbar ist nur, dass man ein Rückgrat hat und Ehre, dass man gerne und logisch denkt. Viele Fähigkeiten, die ein guter Gardist braucht, sind denen eines Detektivs nicht ganz unähnlich."
Auf der hellen Seite der Macht
Interessiert bleibt ein Chirà vor dem Transparent stehen und liest es sich vor: "...willst es schützen und bewahren - vor Verbrechen und Gefahren? Das reimt sich ja sogar. Reimende Dinge haben mich schon immer angesprochen."
Er wendet sich an Ehados: "Hey du, was verdient man denn bei der Wache?"
Auf der hellen Seite der Macht
Der Kommandant tritt einen Schritt zurück, und betrachtet den Chirà aufmerksam, die Augenbrauen leicht skeptisch gegen einander verschiebend. Dann verzieht sich das gutmütige Gesicht zu einem halben Lächeln, und er fährt sich mit der Hand nachdenklich über das Kinn.
"Das Auskommen eines Harac ist zunächst bescheiden.", räumt er beschwichtigend ein, als würde hier ein wunder Punkt angesprochen, und rollt die Schultern etwas nach hinten, das Gewicht des trainierten, massigen Leibs auf das andere Bein verlagernd. "Aber wer sich bewährt, wird feststellen, dass Leistung durchaus belohnt wird. Viele fähige Männer und Frauen sind nur sehr kurze Zeit Harac, und werden dann in die verantwortungsvolleren und höher dotierten Offiziersposten befördert."