Eigentlich ist der rote Haarschopf Naveyas kein unüblicher Anblick, ist sie doch oft in den Strassen und Gassen unterwegs, manchmal allein, aber tagsüber oft in Begleitung eines oder mehrerer Waisenkinder.
Doch heut ist sie allein, obwohl es heller Vormittag ist, die Rufe der Händler durch die Gasse hallen, Kinder fangen spielen und Hausfrauen ihre Einkäufe erledigen.
Langsam geht sie, auch das unüblich, den Kopf gesenkt und ihre Umwelt nicht wirklich registrierend, gerade genug, um niemanden anzurempeln. Ihr Weg führt zum Hafen, irgendwo auf der Kaimauer lässt sie sich nieder, hockt dort und starrt auf das Wasser, betrachtet den ruhigen Rhytmus der Wellen.
Lange sitzt sie dort, bis sie sich wieder rührt, ein Stück Papier aus der Hosentasche zieht und nun dieses anstarrt.
Wieder verharrt sie, regungslos, starr.
Zunächst ist die Bewegung nicht so recht zu sehen, ein winziges Stück Papier flattert herab, landet im Wasser und wird sanft auf den Wellen geschaukelt, Ein weiteres Stückchen folgt.
So zerreisst Naveya das Stück Papier, langsam und gründlich, bis der letzte Rest aus ihren Händen gleitet.
Dahintreibend, verteilen die Wellen die Fetzten, unmerklich werden Teile davongespült, gehen unter und verloren. Zerteilt, verloren, unwiederbringlich dahin.
Doch Naveya sitzt weiter da, starrt auf das Wasser und regt sich nicht.
Selbst als der Ring Delvans zu verlöschen beginnt, das Hafenviertel sein geschäftiges Treiben abstreift und die ersten Dirnen und zwielichtigen Gestallten auftauchen, verlässt sie ihren Platz nicht.

Als es langsam finster wird, kommt Hafenmeister Nestor auf einem seiner Rundgänge an der jungen Sramen vorbei. Sie war ihm schon beim letzten Rundgang aufgefallen und darum spricht er sie nun an. "Kann ich etwas für euch tun? Ihr sitzt hier ja schon eine ganze Weile."

Einen Moment lang sieht es so aus, als hätte Naveya ihn nicht gehört, doch dann regt sie sich, wendet den Kopf und schaut ihn an.
Ihre Augen wirken entrückt und ihr Gesichtsausdruck ist merkwürdig leer.
Langsam schüttelt sie den Kopf und wendet sich wieder ab, auf das Wasser starrend, wie sie es schon Stunde um Stunde an diesem Tag tut.

Eigentlich ist Ketrels Gegend eine andere, doch aus einem nicht ersichtlichem Grunde ist er diesmal am Hafen. Er geht hört noch die Frage des Hafenmeisters, als er näher kommt und sieht Naveyas Reaktion.

Laut genug meint er: "Sichara, Naveya. Vielleicht kann ich etwas für Euch tun? Darf ich mich zu Euch setzen?"

Unhöflichkeit ist eigentlich keine Tugend , die man Naveya zuordnet, aber heute scheint alles anders zu sein.
Viel zu versunken in ihre eigene Welt, dauert es eine Weile, ehe sie sich regt.
Sie wendet den Blick nicht vom Wasser ab, als sie den Kopf schüttelt.

Auch Maria kommt auf dem Weg von ihrem Schiff zu einer der Hafenkneipen an Naveya vorbei. Sie traegt die Kleidung eines Kapitaens, und ihre Asnichara hat sie auch umgeschnallt. Maria beobachtet ein bisschen, wie Naveya die verschiedenen Annaeherungsversuche abwimmelt, zuckt dann mit den Achseln und setzt sich in Sichtweite hin.
Sie legt ihren Mantel und ihre Waffe ab, zieht ihre Stiefel aus und setzt sich dann auf eine alte Kiste, die irgendwo an der Pier steht. Aus der Manteltasche zieht sie eine Flasche Rum. Ein deutliches "Plopp" ist zu hoeren, als sie mit den Zaehnen den Korken zieht, danach ein leises "Platsch" als der Korken zwischen dem anderen Muell im Becken landet.
Dann nimmt sie einen soliden Schluck und wartet ab, was passiert.

Für eine lange Weile scheint es so, das Naveya einfach weiter auf das Wasser starrt und ihre Umwelt ignoriert.
Dann bewegt sie sich, rutscht von der Kaimauer herunter und streckt sich, sitzt sie schliesslich schon viele Stunden dort. Mit steifen Beinen geht sie zur nächsten Kaschemme und verschwindet darin.
Aber es dauert nicht lang und sie kommt mit einem Krug Chervecha wieder heraus. Langsam geht sie zu Maria hinüber, hockt sich mit auf die Kiste und nimmt einen tiefen Zug.

Als Naveya nicht antwortet und Maria villa Lobos dazukommt, wendet er sich ab und geht wieder seiner Wege.