Estichà Unterer Markt

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Eine Fabel zur Mittagsstunde (Untermarkt)

Fabula Docet @, Friday, 15. May 2009, 12:52

Eine alte Frau sitzt am Rand des Markts. Nicht lange bleibt das unbemerkt, die Kinder scharen sich bereits um sie. Es spricht sich herum. Wie immer hebt sie den Kopf unter der Kapuze nicht, sondern beginnt schlicht zu sprechen.

"Ich will euch eine Geschichte erzählen, die einigen von euch vielleicht schon bekannt ist. Sie ist eine Fabel aus den Tiefen des Dschungels, und sie beginnt mit einer wagemutigen Expedition. Forscher aus der Hauptstadt der Allianz zogen aus, um sich in unbekannte Gebiete der Senke vorzuwagen. Eine Reise ins Ungewisse, denn damals ahnten die Leute noch viel weniger von dem, was zwischen Allianz und dem Metchà liegt. Diese Gegend ist voller Gefahren, so dass eure Mütter sehr gut daran tun, euch davor zu warnen. Hört gut hin, denn was jener Gruppe tollkühner Forscher zustieß, sei euch allezeit eine Warnung! Wilde Tiere und verschlingende Pflanzen lauern dort im Dschungel und noch vieles mehr, das zu fürchten sich lohnt. Jene Expedition traf in den Tiefen der Urwälder auf einen namenlosen Schrecken. Was genau ihnen geschah, das weiß niemand und wird’s auch nie erfahren, denn der Schrecken verschlang sie alle samt und sonders und nur einer von ihnen überlebte. Ein kleiner Junge, gerade einmal abgestillt, aber noch viel zu jung, um gehen oder gar sprechen zu können. Seine Mutter war eine ehrgeizige Sragondame, die hoch in der Gunst der Regentin stand und sich somit einen Platz in der Mission verdient hatte. Nun aber verschlang der Schrecken auch sie, und es gelang ihr gerade noch, ihr kleines Söhnchen beiseite zu schaffen und ihm somit das Leben zu retten. Da saß er nun, der kleine Sragonjunge, allein, verlassen und mutterlos im großen Dschungel. Sein junges Leben hätte jäh zu Ende sein können, doch dann gäbe es keine Sage, die zu erzählen ich hier bin.

Es trug sich nämlich zu, dass der kleine Junge das Glück an seiner Seite hatte. Es begegnete ihm in der Gestalt eines Hufs, das weithin unter dem Namen Parvas bekannt war und zufällig gerade des Weges kam. Als es den Jungen erblickte, da hatte es Mitleid mit ihm und setzte sich zu ihm und sang den Kleinen in den Schlaf. Dieser Gesang aber lockte die Tiere des Dschungels an, und sie kamen und sahen den Jungen. Da begannen einige von ihnen, das Kind für sich zu fordern. Und sie alle trugen dem Huf ihr Anliegen vor und bemühten sich, ihren Anspruch geltend zu machen. Nun hatte der Junge aber großes Glück, denn das Huf war zwar klein von Wuchs, doch sehr gewitzt im Geist, und es durchschaute das Spiel der Dschungeltiere, die allesamt vorhatten, den armen Knaben zum Mittagessen zu verspeisen. Und das kluge Huf namens Parvas fasste einen Plan zur Rettung des Waisenjungen, indem es hinging und sich an das Roputan wandte und fragte, was nach dessen Ansicht mit dem Jungen geschehen solle. Da schauten sie alle auf das Roputan, dessen Namen Madran war, denn es war bekannt unter den Tieren ob seiner außergewöhnlichen körperlichen Stärke, aber auch für sein ruhiges, besonnenes Wesen. Und Madran erhob seine Stimme und sprach:
„Dieses Kind ist keiner von uns und gehört nicht in unseren Dschungel. Es muss zu den Seinen in das Dorf der aufrechten Echsen gebracht werden.“
Da frohlockte Parvas das Huf, denn es erkannte die gute Gesinnung Madrans und willigte ein, dass sie beide den Jungen ins Dorf brächten. Und so zogen sie gemeinsam los, das Knäblein und das Huf ritten auf Madrans Rücken. Und nachdem zweimal der Delvanring über sie hinweg gezogen war, da erreichten sie den Sragonstamm. Sie gingen dort hin, um den Jungen zu seinem Volk zu bringen, doch…"

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Der Fabel zweiter Teil

Fabula Docet @, Friday, 15. May 2009, 12:55 @ Fabula Docet

Ihre Stimme erhebt sich dramatisch, als sie die Pause beendet und weiterspricht.

"…doch ahnten sie nicht, dass der namenlose Schrecken sie aufgespürt hatte, denn er wollte nicht ein Mitglied der Expedition am Leben wissen. Und da brach der Schrecken über sie herein, als sie gerade den Jungen der Dorfpriesterin übergeben wollten, und er vernichtete das Dorf und alle, die in ihm lebten. Parvas aber in seiner Klugheit ersann einen Fluchtplan und Madran mit seinen schnellen Beinen trug sie aus der Gefahr. Sie hatten erneut Glück gehabt. Nun aber wussten die beiden, dass sie weiterhin in Gefahr schwebten und dass sie den Jungen tief im Dschungel würden verstecken müssen, um sein Leben zu beschützen. So gingen sie fort und versteckten sich tief in den Wäldern und zogen den Jungen dort nach all ihren Möglichkeiten auf. Diejenigen unter euch, welche die Fabel bereits kennen, wissen nun auch, welchen Namen sie dem Jungen gaben, denn dies hier ist die Geschichte von Tshoshar aus dem Dschungel. Die beiden Tiere kümmerten sich nach Kräften um ihn und lehrten ihn alles, was sie über das Leben und die Röhre wussten. Es zogen so einige Stürme über das Land hinweg und Tshoshar wuchs zu einem kräftigen Jungen heran. Er war Parvas und Madran sehr verbunden, die für ihn wie seine eigenen Eltern waren, obschon sie natürlich von sehr unterschiedlichem Charakter waren. Madran sprach für gewöhnlich selten, denn es war ohnehin das Huf, das ständig sprach und auch den jungen Tshoshar in die Sprache der Tiere einführte. Unbehelligt von den Schrecken, die andernorts auf sie lauern mochten, verbrachten sie einige Stürme in Zufriedenheit und Ruhe.

Nun ist es aber ein Gesetz des Lebens, dass nichts unverändert bleibt, denn die Zeit ist wie ein Rad, das niemals aufhört, sich zu drehen. Und so drehte sich auch das Rad des Schicksals für den jungen Tshoshar. Als er nämlich so zehn Stürme hatte kommen und gehen sehen, da wurde er im Dschungel von einem Teccrahka in wilder Rage angegriffen. Wieder einmal war es nur sein Glück, das ihm das Leben rettete, denn das Teccrahka war mit schier überechslicher Kraft ausgestattet, die einem unheimlich erschien wie sonst nur etwas und in deren Gegenwart ein eiskalter Schauer über jedermanns Rücken lief. Tshoshar aber entkam dem Angriff, indem er sich auf einen Ast rettete, das Teccrahka aber stürzte in den darunterliegenden Fluss und trieb davon. Ob dieser Nachricht aber gerieten Parvas und Madran in gar große Sorge, denn sie ahnten, dass ihr Schützling auch in dieser Abgeschiedenheit nun nicht mehr sicher war. Und sie berieten sich eine ganze Nacht lang, was sie tun sollten, denn über die Stürme hinweg waren die beiden gute Freunde geworden und gaben viel auf das Wort des anderen. Am nächsten Morgen eröffneten sie Tshoshar, dass sie gemeinsam losziehen würden, um ihn aus dem Dschungel zu bringen, dorthin, wo viele Sragon und Menschen und Chirà waren und er für immer in Sicherheit wäre. Das gefiel dem Jungen nicht, denn er liebte seine Zieheltern gar sehr, doch er fügte sich ihnen in stillem Gehorsam.

Und wieder zogen sie los, Parvas noch immer auf dem Rücken des Roputans, der Junge nun auf seinen eigenen zwei Füßen. Sie wanderten und wanderten, denn die Senke ist groß und weit und nicht zu begreifen für einen einzelnen Geist, schon gar nicht den eines Sragonjungens! Ihre Schritte trugen sie immer weiter fort von dem Ort, an dem Tshoshar einst das Licht der Welt erblickt hatte, denn keiner von ihnen wusste natürlich, was sich an jenem Tag zugetragen hatte, an dem seine Mutter ihr Leben zu seinem Schutze aufgegeben hatte. Stattdessen trieb es sie weiter Richtung Metchà, immer näher auf die Berge zu. Tshoshar war nicht besonders klug, so wie Parvas, oder besonders stark, so wie Madran, doch er besaß ein großes Herz. Und mit diesem Herzen liebte er seine beiden Elterntiere und den Dschungel, denn er kannte nichts anderes und wollte nie etwas anderes kennen müssen. So grübelte er jeden Tag der Reise, was er tun könnte, um nicht von ihnen verstoßen zu werden, denn er wusste, dass genau das mit ihm geschehen sollte. Weshalb sie ihn verlassen wollten, das begriff er nicht, aber er war gewiss, dass er sie umstimmen musste. Nur wie?"

Die Alte hebt ihren Kopf leicht, als wolle sie in die Runde blicken, doch unter der Kapuze ist kein Gesicht zu erkennen. Sie hält inne.

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Der Fabel Schluss

Fabula Docet @, Friday, 15. May 2009, 12:59 @ Fabula Docet

"Ich will es euch verraten, was sich zutrug, denn Tshoshar kam gar nicht erst dazu, einen Plan zu fassen."

Sie schüttelt den Kopf leicht. Die Kinder schauen ungläubig. Was ist denn dann passiert?

"Eines Abends, da sich das Ziel ihrer Reise schon in greifbarer Nähe befand, saßen sie alle beisammen um ihr Lagerfeuer und aßen und tranken. Später, als Parvas und Madran bereits in Vesanas Armen weilten, da saß der junge Tshoshar noch immer stumm da und grübelte. Er war kein großer Geist, und so war ihm während der langen Reise noch immer kein guter Gedanke gekommen. Da aber vernahm er plötzlich eine süße Stimme aus den Wäldern. Er wurde neugierig, und was konnte es schon schaden, jemanden mit einer so lieblichen Stimme kennen zu lernen? Und er entfernte sich immer weiter von seinen Beschützern, ging tiefer in den Wald, um den Verursacher der wundervollen Geräusche zu finden. Und da sah er sie: Eine wunderschöne Frau, von einem leuchtenden Glanz umgeben, und sie saß auf einem Stein und sang vor sich hin. Als er aber, ungestüm wie Jungen nun einmal sind, forsch an sie herantrat, da sprang sie auf und sah ihn an. Und er blickte in ihre Augen und war gebannt. Sie kam zu ihm und sprach:
„Komm, komm zu mir. Schließ deine Augen und reich mir deine Hand. Vertraue mir. Ich werde dich beschützen und befreien von allen Sorgen, und du sollst im Dschungel bleiben dürfen und frei sein von jenen, die dich loswerden wollen und nie wirklich geliebt haben. Hör auf mich und vertraue mir.“
Und Tshoshar schloss seine Augen und streckte seine Hand aus. Doch als die Frau seine Hand berührte, da erzitterte sie gar sehr und schrak zurück, und sie schrie wie mit der Nadel gestochen. Und da riss er die Augen auf und sah, in welch hässliches Monster sie sich verwandelt hatte, in welch grausamen, namenlosen Schrecken, der ihn zu verschlingen trachtete. Von diesem Geschrei waren auch Parvas und Madran erwacht und herbeigeeilt, doch sie konnten ihrem Schützling nicht helfen. Da senkte sich das Ungetüm nieder und wollte den Jungen zerstampfen und zerschmettern. Doch unser junger Held besaß mehr Glück, als es den meisten von uns beschieden ist. Denn nichts konnte der Schrecken ihm antun, prallte nur an ihm ab wie Wasser an einem Stein.

Es war die Liebe seiner Mutter, die er nicht kannte und die doch einst ihr Leben geopfert hatte, um seines zu retten, die ihn umgab wie ein schützender Mantel und die kein noch so unaussprechlicher Schrecken zu durchdringen vermochte. Da zog sich das Ungeheuer zurück in die Tiefen der Dunkelheit. Darob waren Parvas und Madran sehr erfreut, und sie stürmten auf Tshoshar zu und umarmten ihn herzlich. Doch der Junge ahnte, wem er sein glückliches Davonkommen zu verdanken hatte, und er begriff in diesem Moment, dass er mehr wissen musste. Und obwohl er seine Beschützer über alles liebte, dämmerte es ihm doch, dass er nicht hierher gehörte und zu den Seinen gehen musste. So beendeten sie ihre Reise gemeinsam. Als eine kleine Ansammlung von Hütten am Metchà in ihrer Sichtweite auftauchte, da trennten sich ihre Wege endgültig. Sie weinten bittere Tränen, denn so schwer und gefährlich ihr gemeinsames Schicksal gewesen war, so sehr hatten sie die gemeinsame Zeit auch genossen. Dann drehten Parvas und Madran ihre Schritte und kehrten zurück in den Dschungel. Und Tshoshar, der aus dem Dschungel kam, ging zu den Leuten, unter denen seine Mutter gelebt hatte. Die Legende von seinen Abenteuern im Urwald ist bis heute allseits bekannt, denn die Stadt an den Gestaden des Metchà, in die er ging, war ein kleiner Ort, der einmal unter dem Namen Estichà bekannt werden sollte."

Erstaunte Gesichter machen sich in der Runde breit. Die Alte aber streckt ihre Hand aus und deutet in die Menge.

"So lernt denn eines aus der Geschichte von Tshoshar, dem Sragon aus dem Dschungel: Wer Glück hat, dem ist das Leben eine schöne Zeit, doch wirklich glücklich kann sich nur der schätzen, der die Liebe seiner Familie und Freunde besitzt!"

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Der Fabel Schluss

Tikhi @, Friday, 15. May 2009, 14:12 @ Fabula Docet

Auch diese geschichte wird sich Tikhi mal auf schreiben und der alten gern wieder ein paar münzen geben. Sie wird sich auch wieder ein wenig mit der alten unterhalten um zu er fahren wie ihr leben so war und was sie so denkt. Jedoch beobachtet sie dabei genauestens ihre umgebung.

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Die Alte und die Chirà

Fabula Docet @, Saturday, 16. May 2009, 19:44 @ Tikhi

Sonderlich interessiert ist die Alte an einem Gespräch wohl nicht. Sie hebt weder den Kopf, noch wendet sie sich Tikhi zu. Ihre Stimme ist ruhig, nicht unfreundlich. Was sie sagt ist jedoch eher abweisend.

"Wie mein Leben so war? Das hier ist eine Geschichtenerzählung, kein Frage und Antwortspiel, junge Frau. Es geht nicht um mich. Einzig die Träume, die zu Worten gemacht wurden, zählen hier."

Die Alte schüttelt den Kopf und erhebt sich von ihrem Sitzplatz. Die Kindertraube löst sich langsam auf. Mitten durch sie hindurch schlurft die Frau auf eine der Seitengassen zu.

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