Eine Mär von der Liebe (Untermarkt)
Vor ein paar Tagen hat man sie schon einmal gesehen, die Alte mit dem Stock. Sie wackelt wieder über den Marktplatz und setzt sich abseits hin. Die Kinder haben sie gleich entdeckt, diesmal sind es schon viel mehr als noch beim letzten Mal. Es hat sich herumgesprochen. Auch ein paar Erwachsene bleiben stehen, als die alte Frau ihre Stimme erhebt.
"Ich will euch eine Geschichte erzählen, wie sie schon seit Generationen in der Röhre erzählt wird. Aber seid gewarnt: Dies ist keine Liebesgeschichte- aber es ist eine Geschichte über die Liebe. Das wahre Wesen Jhoulanas offenbart sich dem, der sie hört, die Geschichte von Alanor und Jhamina. Sie beginnt vor einiger Zeit in der Hauptstadt der Allianz. Diese Stadt, größer als alles, was die Röhre je zuvor gesehen hat, war damals wie heute eine Bühne der Intrigen und Machtpolitik. Ein merkwürdiger Ort für Jhoulana, ihr Gesicht in seiner reinsten Form zu zeigen. Und doch nahm genau dort eine sagenhafte Liebschaft ihren Anfang, denn einst lebte dort ein junger Chirà mit Namen Alanor Callaratà Chraniac. Weit über sein Stadtviertel hinaus war er bekannt, denn er war nicht nur der einzige Sohn eines großen Wurfes, sondern auch mit den Stürmen zu einem sehr gutaussehenden jungen Mann herangewachsen. Vielgerühmt war sein goldenes Fell, das im Licht des Delvanrings wie ein kostbares Juwel glänzte. So manche Chiràdame wurde von Jhoulana geschlagen, wenn sie ihn erblickte, doch er selbst war derartigen Affekten stets entkommen."
Die Alte räuspert sich. Die Kinder ahnen es schon- jetzt nimmt die Geschichte Fahrt auf.
"Nun trug es sich zu, dass kurz vor Alanors zwanzigstem Sturm das größte Neujahrsfest in den Gassen gefeiert wurde, das alles übertraf, was die Allianz bis dahin gekannt hatte. Gemeinsam mit seinen Schwestern nahm auch der junge Chirà teil. Ausgelassen gaben sie sich den Feierlichkeiten hin, nicht ahnend, dass die Götter ihrem Treiben zusahen und in nicht ferner Zukunft selbst eingreifen würden, um das Schicksal einiger Sterblicher für immer zu verändern. So geschah es nämlich, dass der junge Alanor seine Verwandten aus den Augen verlor und sich alleine durch die Straßen treiben ließ. Und die feiernde Menge trug ihn geradewegs in die Arme Jhoulanas, die ihm in all ihrer Pracht begegnete, als er jene schicksalhafte Frau erblickte. Jhamina Aljenor Chraniac war ihr Name, und das Leuchten ihrer grünen Augen war das wundervollste, das Alanor je gesehen hatte. Nur einen Augenblick lang kreuzten sich ihre Wege, bevor sie im Trubel der Menge davon gerissen wurden, doch um ihre Herzen war es geschehen. Da war der junge Chirà sehr unglücklich, denn nicht eine Nacht wollte er mehr ohne sie schlafen müssen. So blieb er Vesanas Reich fern, bis ihm keine Speise mehr schmecken wollte und er nur noch blass und müde erschien. Seiner Familie aber lag er sehr am Herzen, daher waren sie voller Sorge und fürchteten, eine schlimme Krankheit habe ihn geschlagen. Um sein Leben zu retten, schickten sie ihn zum Mehdoratempel aus, auf dass die Göttin ihn heilen möge. Alanor selbst wusste, dass sein Zustand nichts Gutes war, doch wusste er auch, dass ihm eine andere Göttin würde helfen müssen. Er lenkte seine Schritte in den Tempel Jhoulanas, um dort für seine Erlösung zu beten. Gar erstaunt war er, als er in der Gebetshalle das schwarzgraue Fell seiner Angebeteten erblickte. Und sie trat an ihn heran und sprach:
„Deinen Namen kenne ich nicht, und doch liebe ich dich mehr als mein eigenes Leben. Jeden Tag habe ich deiner hier geharrt, denn ich war gewiss, dass Jhoulana uns in ihrer Güte zusammenführen würde.“
Da jauchzte sein Herz vor Freude, und er antwortete:
„Ich kam in dieses Haus, um für Erlösung zu beten, denn mein Herz war krank vor Sehnsucht nach dir. Nun aber heilt dein Anblick alle Wunden der Einsamkeit, und nie wieder will ich davon erlöst werden.“
Und da lachte Jhamina und umarmte ihn und übersäte ihn mit Küssen. Eine Ewigkeit später erst, so erschien es ihnen, lösten sie sich von einander und verließen den Tempel mit dem Versprechen, sich nach vier Nächten eben dort wieder zu treffen. Alanors Familie war hoch erfreut über seinen Stimmungswechsel, diese offenbar schnelle Genesung, denn nun stand ihrem Vorhaben nichts mehr im Wege, ihren einzigen Sohn gewinnbringend zu verheiraten. Davon erfuhr Alanor freilich mit Freuden und er schlug alsbald jene Sippe vor, der seine Geliebte angehörte. Nun wollte es aber das Schicksal, dass einige Mitglieder seiner Familie sich mit einigen Sippenschwestern Jhaminas aufs heftigste zerstritten hatten und daher seinem Vorschlag gänzlich abgeneigt waren. Stattdessen wurde eine befreundete Sippe ausgewählt, von der man sich im Falle einer Verbindung viel Geld und Einfluss versprach. Das aber brach Alanors Herz, denn er wollte weder seine Familie und die Traditionen verraten, noch wollte er je wieder eine andere Frau ansehen als Jhamina."
Das Ende der Mär
Atemlos schauen die Zuhörer die Geschichtenerzählerin an. Warum macht sie nur so lange Pausen, gerade jetzt, wo es spannend wird? Aber da, da! Sie räuspert sich, sie spricht weiter!
"Nun, am vierten Tage ging er nach dem Tempel, vorgeblich um für seine bevorstehende Vermählung Jhoulanas Segen zu erbitten. Doch in Wahrheit waren es Verzweiflung und Sehnsucht, die ihn in den Tempel trieben. Dort wartete seine Liebste bereits auf ihn. Auch sie war voll Verzweiflung, denn sie hatte selbst von der Familienfehde erfahren. Da lagen sie sich in den Armen und beweinte ihr Schicksal, denn keiner von beiden wollte den anderen je wieder loslassen müssen. Nun war es aber so, dass ein Diener Jhoulanas ihr Wehklagen vernahm und von Mitleid erfüllt wurde. Und er trat an sie heran und bot ihnen seine Hilfe an, denn die Sterblichen sollen nicht scheiden, was die Götter zusammengefügt haben. Da wurden sie beide von Hoffnung erfasst und waren voller Eifer und Tatendrang und willigten ein, sich auf der Stelle trauen zu lassen. Vor den Augen der Liebesgöttin verbanden Alanor und Jhamina sich in einem heiligen Bund. Sie waren aber gewiss, mit welch großem Zorn ihre Sippen diese Kunde aufnehmen würden, und dass ihnen keine andere Wahl blieb als die Flucht. So vereinbarten sie, sich beim Erlöschen des Delvanrings am Hafen einzufinden und mit dem nächstbesten Schiff auf dem großen Strom davon zu segeln."
Ein Raunen geht durch die Zuhörerschaft. Die Alte nickt.
"Oh ja. So geschah es auch. In der Abenddämmerung trafen die Liebenden aufeinander, doch sie waren nicht alleine. Ihre Familien hatten wohl gespürt, dass etwas Großes im Gange war, und hatten ihnen einige Verwandte nachgesandt. Da trafen sie also alle zusammen und forderten eine Rechtfertigung von dem fliehenden Liebespaar. So trat die geheime Verbindung zu Tage, und die beiden erbaten Verständnis für ihre Lage. Doch ihre Familien hatten Jhoulanas schönstes Antlitz nie geschaut und waren daher außer Stande, Verständnis aufzubringen. Furchtbarer Zorn überkam sie. Alanors Schwestern, die sich von ihm belogen und hintergangen fühlten, gerieten außer sich vor Wut und griffen ihn an. Das aber konnte Jhamina nicht zulassen und so versuchte sie mit aller Kraft, ihren Geliebten zu beschützen. Bald waren alle Anwesenden in einen wilden Streit verwickelt. Endrakha erfüllte die Geister der Kämpfenden, bis eisige Stille dem Zank ein jähes Ende setzte.
Da sank Alanor wehklagend über dem sterbenden Leib seiner Geliebten zusammen, die ihr Leben zu seinem Schutz geopfert hatte. Und als sie einen letzten Kuss tauschten, da begriffen und erkannten ihre Verwandten erst die wahre Natur dieser Liebe, doch es war bereits zu spät. Als Jhamina ihren letzten Atemzug getan hatte, da erhob sich Alanor, der sie mehr geliebt hatte als alles andere und nun nichts mehr besaß, das noch von Bedeutung war. Er sah seinen Schwestern ins Gesicht, doch ihr Bedauern bewegte ihn nicht. Er ging nach Hause und sprach auch in den kommenden Tagen kein Wort mehr. Dann ging er zu dem frischen Grab, das man seiner Geliebten bereitet hatte, und pflanzte darauf eine Blume, eben so selten und kostbar wie seine Liebe zu Jhamina. Seit diesem Tag gilt die blaue Lantis als Symbol tiefer, ewiger Liebe. Alanor aber verließ noch am selben Tag die Stadt und ward nie wieder gesehen. Manche sagen, er sei ein stummer Wanderpriester geworden. Andere wiederum behaupten, er sei kurz nach diesem Tag an gebrochenem Herzen gestorben. Was wirklich geschah, wissen nur die Götter.
Vom traurigen Schicksal Alanors und Jhaminas bleibt für die Sterblichen nur ein kurzen Blick auf das wunderbarste, das Jhoulana zu erschaffen vermag, und das Wissen, dass große Liebe und große Tragik nie weit von einander entfernt liegen.“
Die Alte wartet ab, vielleicht sieht sie in die traurigen Gesichter ihrer Zuhörer, man kann es nicht erkennen. Vielleicht lässt sie auch nur ihre Geschichte auf das Publikum wirken...
Das Ende der Mär
Die Chira steht etwas ab seitz und hört sich das ganze an. Sie witmet der Geschichteein wenig ihrer zeit. Sie nickt ein ums andre mal sie scheint sehr wohl seulcherlei geschichten zu kennen ist sie doch selber längere zeit durch die lande gezogen bevor sie beschloss hier zu versuchen fuß zu fassen. "Sehr shcön erzählt gute frau." meint sie als die erzählung endet. Sie trägt ein gantz gewöhnliches Ordens gewand was den groß teil ihres körpers bedeckt und verhüllt dennoch kann man sie als Tikhi erkennen denn sie trägt keinen turban oder ähnliches so das man ihr haubt etrkennt.
(wieter per mail)
Das Ende der Mär
Unter den Zuschauern, die bei jeder Geschichte der Alten mehr zu werden scheinen, befindet sich auch Samancha Charmain. Noch immer in das Grau der Trauer gekleidet, ist sie wohl eine der wenigen, die das Schicksal Alenors nachempfinden kann. Und obwohl sie sich die ganze Zeit seit ihrer Rückkehr, Pets Verschwinden und Jackieleas Tod sehr gut gehalten hat, kann man nun ein trauriges Lächeln auf ihrem Antlitz sehen. Rasch wendet sie sich ab, um in einer der Gassen in der Nähe zu verschwinden.