Eine Geschichte für die Stadtwache
(ooc: Da das Gespräch ein wenig her ist, beginne ich das Thema hier oben neu - ich hoffe die Geschichte entschädigt ein wenig für die lange Wartezeit.)
Einer der Wachen wird hellhörig. "Erzählt mir mehr davon" spricht die Wache ihn an in der Hoffnung, das Barawaan ihm ein paar Details dieser Geschichte erzählt.
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Der Alte setzt an zu erzählen, seine Lippen umspielt dabei ein fortwährendes Lächeln: „Du interessierst dich für Mrishca, mein Sohn?“, seine Augen beginnen zu leuchten, „Auch wenn es sich vielleicht nicht ziemt, einem Wächter unserer schönen Stadt von einer Diebin zu erzählen, so will ich das tun. Lasse mich aber erst festhalten, dass die gute Mrishca nie jemandem Schaden zufügte, der sich nicht mit ein paar Dublonen aus der Welt hätte schaffen lassen. Nie hat sie jemanden verletzt, oder über die Nacht gefesselt zurückgelassen. Dies wäre nicht Mrishcas Tat gewesen, nicht ihre Handschrift.“, er pausiert kurz, lächelt dann breiter und fügt hinzu, „Das wäre nicht im Sinne der Göttin.“
„Mrishca war ein arme Chirà, ohne Herkunft, Abstammung oder großer Geschichte, bis zu jenem Schicksalshaften Tag, vor etwas mehr als hundert Stürmen, als eine Richterin über sie urteilen sollte. Eine gemeine Diebin war sie, stahl um nicht zu verhungern, stahl um sich ein Quartier für die Nacht zu kaufen. Ihre Wünsche waren bescheiden, vielleicht nicht edel, nicht rechtschaffen, doch an mir ist es nicht, über jene zu urteilen, denen es schlechter ergeht.
Die Richterin hingegen war den Gesetzen treu. Mrishca gehörte verurteilt, wie jeder gemeine Räuber.
Mrishca jedoch vereitelte ihre rechtmäßige Verurteilung. In einem unbeobachteten Moment entledigte sie sich ihrer Fesseln, entriß der verdutzten Richterin ein Schmuckstück und flüchtete durch ein Fenster des Gerichtsaals. Flink wie die Chirà war, ließ sie ihre Häscher bald hinter sich und entkam.“, Barwaan seufzt wehmütig und stützt sich auf seinen Gehstock, er blickt sich nach einer Möglichkeit um, sich setzen zu können und läßt sich kurz darauf auf einer Eingangsstufe nieder.
„Eigentlich hätte ihre Geschichte an dieser Stelle vorüber sein sollen, wollte ich eine glückliche Geschichte erzählen. Sie hätte das Schmuckstück vielleicht zurückgegeben, oder es zu Geld gemacht und einen Laden gekauft, einen guten Mann gefunden... doch Mrishca war wahrhaft gesegnet und die Göttin hielt ein anderes Geschenk für sie bereit.
Ihre Tat und ihr Entkommen sprachen sich herum. Überall sprach man über nichts anderes und nichts interessierte die Leute mehr. Man wollte wissen, was aus der wagemutigen Chirà wurde, die dem Strick entkam und gar die Richterin bestahl.“ er lacht leise und schüttelt dann wehmütig den Kopf, „Mrishca war nicht von ihrem Tagewerk abgewichen und bald begann sie, ihre Zeichen zu hinterlassen, wenn sie stahl. Zuerst waren es Kleinigkeiten. Die Einkünfte eines Händlers verschwanden, doch in seiner Kasse fand sich ein Zettel auf dem in feinsäuberlichen Buchstaben Mrishca stand, aus einem geschlossenen Raum wurde ein kostbares Besteck gestohlen, zurück blieb nur ein Stück Papier und auf diesem ihr Name. Ihre Diebstähle wurden häufiger, ihre Beute abstruser, die Gefahren die sie auf sich nahm wuchsen mit jedem Mal. Ein Redner in einer Clansversammlung vermißte plötzlich wichtigste, folgenschwere Dokumente. Obristen der Garde, gerühmt für ihre Sinnesschärfe und Aufmerksamkeit, vermißten mitunter ihre Geldbörse.“, der Alte räuspert sich um ein verschmitztes Lächeln zu verbergen, „Einst stahl sie gar eine Statue aus einem Hostinostempel. Vor den Augen von Gläubigen und Priestern und doch ungesehen. Gar die Herrscherin der Chrania wurde ihr Opfer. Sie saß an ihrem Schreibtisch und setzte ein wichtiges Dokument auf, als sie sich erhob und nur für einen Wimpernschlag abgelenkt war, stahl Mrishca ihr, ihr goldenes Tintenfäßchen. Von der Diebin fehlte jede Spur. Doch stets, bestahl sie die Garde, den Tempel oder den Adel, hinterließ sie ihren Namen und das Volk ächzte ihren neusten Geschichten entgegen.
Eine Geschichte für die Stadtwache
Doch mit ihrer Verehrung durch den Pöbel, nahmen auch die Bemühungen der Wache zu, sie zu fassen. Nach fünf Stürmen und einem unvorstellbar großen Vermögen, das sie erbeutete, faßte man sie. Der Zufall spielte ihr einen Streich. Man erkannte sie auf der Straße und setzte sie als bald fest. Stimmen gibt es, die munkeln, sie sei ihres Ruhms überdrüssig und ihrer Beutezüge satt geworden. Sie sei müde geworden und wollte nicht länger die Gejagte sein.
Man führte sie zum Strick. Mrishca lehrte sie Wachsamkeit, also ließ man sie nicht aus den Augen, ließ sie keinen Moment allein. Sie schlief und aß bewacht im tiefsten Kerkerloch und weder dort, noch am Strick, löste man je ihre Fesseln.
Die Leute waren entsetzt. Viele hundert kamen zu ihrer Hinrichtung, den jeder ahnte ihre Flucht vorher. Niemandem war es verständlich, als man sie zum Galgen brachte, wähnte man sie längst in Sicherheit. Ein Raunen ging durch die Menge, als man ihr die Schlinge um den Hals legte. Selbst als sie zugezogen wurde, hielten viele daran fest, sie würde noch entkommen. Einige gar waren sicher, ihre Illusion längst durchschaut zu haben: als man ihr den Sack über den Kopf zog, habe sie auf wundersame Weise den Platz mit einem echten Verbrecher getauscht, einem Mörder, einem Ketzer, einem der den Tod wirklich verdiene.“, wieder hält er kurz inne, sein Lächeln scheint nun bitter und sein Blick ist gesenkt.
„Mrishcas Mythos sollte an diesem Tag enden, so hatte man es beschlossen. Der Henker schlug den Hebel um, die Klappe fiel und Mrishcas Strick knallte, als er sich unter ihrem Gewicht spannte. Mrishca war tot. Die größte Diebin aller Zeiten, schnöde hingerichtet. Keine Abschiedsworte, keine letzte große Tat – so glaubte man an diesem gewöhnlichen Mittag.“, Barwaan nickt den Teil der Geschichte ab, lächelt dann aufmunternd zu seinem Zuhörer auf, „Mein Vater, er war dort, auch er reiste an um die Hinrichtung, an die er nicht glaubte, mit eigenen Augen zu sehen. Er sagte einmal, sein Herz wäre gebrochen, als er Mrishca leblos dort baumeln sah, doch seine Trauer war nur kurz.
Er saß mit einem Freund in einer Taverne und betrank den Tod der Chirà, als eine aufgeregte Frau hinein gerannt kam, ein Mann begleitet sie und rief, Es ist wahr, wirklich! und rannte schon weiter um die Nachricht zu verbreiten. Was gute Frau, was ist wahr?, hatte mein Vater gefragt und die Frau erklärte es ihnen. Mrishcas Henker, der Mann, dem sie nur am Galgen begegnete, jener, der sich ihre Stiefel verdiente, fand in eben diesen, eine Brosche. Ein kostbares Kleinod, das einst seiner Mutter gehörte habe. Er trug es stets um die Brust, als Andenken und Glücksbringer.
Mrishca hatte ihre letzte große Tat begangen. Eine Tat die sie unsterblich machte. Es war eine große Tat, auch wenn es nur eine kleine Brosche war. Mrishca hatte ihnen ihre letzte Vorstellung gegeben und die Brosche des Henkers, die gab sie ihm zurück. Dies war ihre einzige Beute, die man jemals wiederfand. Alles andere ist seit jeher verschwunden.
Viele Legenden ranken darum. Einige behaupten, sie habe es ihrer Göttin überlassen und unter einem ihrer Tempel, gar dem Mondlichttempel, sei der Schatz verborgen, andere wieder wollen wissen, sie habe alles verpraßt oder den Armen gegeben...“, Barwaan lächelt milde und sieht wieder auf, ob sein Zuhörer noch geblieben ist, ob vielleicht andere hinzugekommen sind.
„Dies ist die Geschichte der Mrishca. Der größten Diebin aller Zeiten. Wahrhaft durch Vesana gesegnet war sie. Ich kann nicht sagen, ob es sich genauso zutrug. Ich bin nicht sicher, ob sie das alles selbst war und tat. Doch in meiner Kindheit erzählte man ihre Geschichte so. Ich habe sie lange nicht mehr erzählt, ich hoffe, mein Sohn, du verzeihst einem alten Mann, wenn er so über Diebe spricht.“, er lächelt freundlich und zuckt dann mit den Schultern und versucht sich mühsam zu erheben.
ein weiterer Zuhörer
Leise, um den Alten bei seiner Geschichte nicht zu stören, tritt Rupert mit seiner Begleitung heran um sich die Geschichte mit einem schmunzeln anzuhören.
Hier und da nickt er bestätigend, scheinbar ist ihm die Geschichte bekannt.