Estichà Unterer Markt

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Erzählstein...

alter Mann @, Friday, 09. November 2007, 19:56

Der Alte setzt sich mit Hilfe eines Jungen, der ihn des Weges stützte, auf den Stein am Rande des Marktes. Er nickt dem jungen Zuhörer noch einmal zu, setzt dann heiser zu erzählen an.

Im Grunde ist es einfach – es ist nicht geschehen, wie es sollte, so ist es eben ein Mißgeschick. Warum es nicht Mißgeschehen heißt, ist schleierhaft und fraglich, aber Mißgeschick ist Mißgeschick und schade obendrein, wenn es Mißlichkeiten mit sich bringt.
Ein solches Mißgeschick ist einem jungen Mann geschehen und er wußte gut, dass es Mißlichkeiten brächte.
Ihm wart aufgetragen vom Sekretär des Meisters seiner Zunft, ein äußerst wichtiges und kostbares, ein wahrlich und sonderlich einzigartiges Kleinod, aus dem Besitz eines wichtigen, bekannten und geachteten Mannes zu nehmen und zu altem Glanz zu bringen.
Der junge Mann war Feinschmied und das Kleinod eine Brosche. So sollte man meinen, ein junger Feinschmied, mit sicheren und feinen Fingern, sollte diese Aufgabe mit Geschick... nun erklärt sich wohl auch die Herkunft des Wortes, eingehender Erzählung... erfüllen können. Geschickte Finger hin, geschickte Finger her, ihm geschah ein Mißgeschick.
Nun war es nicht, dass sie ihm aus Händen glitt und zu Boden und in ein Loch fiel, dass er daran arbeitet und sie ihm zerbrach.
Unser junger Feinschmied freite einer jungen Frau. Sie war von vollendeter Schönheit, ein Bild aus Freude, Freundlichkeit und einem Lächeln, dass sich der junge Feinschmied ein jedesmal vergaß, sich ihr zu erklären – so hatte sein Freien auch keinen Erfolg, wußte die junge Frau nicht von seiner Liebe. Er war schüchtern und traurig darum und war sie ihm nahe, so verließen ihn die Worte und war sie ihm fern, so schlugen sie auf ihn ein und sah sie ihn, so wollte er flüchten und sah sie ihn nicht, so wollte er sie berühren.
Er war ein einfacher Feinschmied, ein junger Mann. Er hatte genug um davon zu leben, vielleicht genug, damit sein Leben kein schlechtes sein mußte. Doch freiten der jungen Frau auch mächtige Männer, die sich mit ihrer Schönheit schmücken wollten, es freiten ihr reiche Männer, die sich an ihrer Schönheit messen wollten und es freiten ihr auch schöne Männer, die ihrer Schönheit entsprachen.
Der junge Feinschmied säuberte und polierte die Brosche und reparierte ihren Verschluß, er tat gute Arbeit an ihr und war zufrieden und als er sie prüfte nahm er seinen Mantel und steckte sie an. Er war zufrieden und stolz und nickte seiner Arbeit zu und benickte sich im Spiegel.
Der junge Feinschmied stockte und staunte und faßte einen Plan. Er sah im Spiegel die Brosche am Mantel eines stolzen Mannes. Der Mann im Spiegel sah mächtig aus und reich und schön. So sah er sich und sprach dem Schmuckstück Zauberkraft zu, das Kleinod, dass den einfachen Mann vom Herrn unterschied.
Er faßte sich ein Herz, der jungen Frau zu freien und wurde ihr vorstellig. Zweifel und Demut und Zurückhaltung und Schüchternheit wischte er hinfort und stellte sich vor ihr hin und sie lächelte ihm zu und so sprach er zu ihr.
Er erklärte ihr: „Ich werde ein mächtiger Mann, werde mich erheben und meine Person beweisen, werde ein großer Mann und deine Schönheit wird mich schmücken!“
Er erklärte ihr: „Ich werde reich sein und Besitz haben und über viele bestimmen und gemessen werde ich an deiner Schönheit!“
Er erklärte ihr: „Ich werde ein schöner Mann und die Leute werden mich lieben und vergleichbar wird meine Schönheit, nur mit der deinen!“
So triumphierte er und frohlockte und hatte endlich den rechten Mut, so schüttelte sie traurig das Haupt und lächelte nicht mehr und sprach nur: „Dich will ich nicht.“, und ließ ihn allein.
Des jungen Feinschmieds Herz zerbrach, er schleuderte Mantel und Brosche von sich und lief Heim um zu trauern und weinte und haßte sich und haßte die junge Frau und haßte die Liebe.
So hatte er die Brosche verloren und wollte auch nicht verraten wo sie verblieb und man verurteilte ihn, in den Turm gesperrt zu werden, bis er die Brosche geben konnte. Doch hatte er sie nicht und wollte nicht an die junge Frau denken, die er nicht mehr lieben wollte und kam lange Tage nicht mehr frei.
Doch die junge Frau hörte von seinem Mißgeschick und besuchte ihn und brachte ihm Mantel und Brosche und beschaute ihn lange.
„Du bist nicht mächtig, sitzt im Turm und bist in Haft. Du bist nicht reich, kannst deine Schuld nicht auslösen. Du bist nicht schön, deine Schande ziert dich nicht.“
Sie lächelte ihm sanft zu und beschaute ihn länger.
„Du warst der Schönste, der mir freite, denn in deinen Augen laß ich Liebe. Du warst der Reichste, der mir freite, denn dein Herz konntest du geben, als Pfand. Du warst der Mächtigste, der mir freite, denn deiner Liebe zu mir, hätte nichts trotzen können. Den jungen Feinschmied hätte ich zum Gatten genommen, nicht aber den Mann mit der Brosche.“
So nahm der junge Feinschmied Mantel und Brosche von ihr und löste sich aus und kam frei. Der jungen Frau aber versprach er nicht wieder mächtig und reich und schön sein zu wollen. Er versprach sie zu lieben und er versprach ihr diese Liebe in seinen Augen zu tragen, versprach ihr sein Herz in ihre Hände zu legen und versprach ihr, dass ihrer Liebe nichts trotzen könne. Und sie, sie versprach sich ihm...“

Zum Ende der Geschichte hin, nickt der Alte dem Jungen zu, dieser lächelt, "Wir hatten eine Abmachung.", erklärt der Erzähler und der Junge läuft zum Brunnen, Wasser holen, während der Mann, auf dem Stein sitzend, sich schwer auf seinen Stock stützt und die Kapuze etwas tiefe ins Gesicht zieht.


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Ausruhen

alter Mann @, Saturday, 10. November 2007, 15:38 @ alter Mann


Als Antwort auf: Erzählstein... von alter Mann am 09. November 2007 19:56:39:


Der Junge, von vielleicht sechs oder sieben Stürmen hat sich einen Eimer auf dem Markt geben lassen, mit dem Versprechen, ihn gleich zurück zubringen, hat diesen mit Wasser gefüllt und dem Alten gebracht. Dieser hat seinen Mantel gerafft um, wie man nun sehen kann, seine aufgescheuerten Hände zu reinigen.
Er murrt, während er sich den Dreck aus den leichten Schürfungen wäscht und lächelt dem Jungen dann wieder zu: "Wie du nun weißt, kann ich dir nicht wirklich sagen, warum es nicht Mißgeschehen heißt, aber wie du siehst, braucht es nicht viel Geschick um ein Mißgeschick zu erleiden.", der Alter lächelt dem Knaben nochmal zu und scheucht ihn dann samt Eimer fort. "Hat mich gefreut, mein Junge."
"Hat mich gefreut, Väterchen!", antwortet dieser.
Der Alte hingegen bleibt noch eine Weile dort sitzen, genießt die Sonne und zwirbelt an seinem störrischen Barthaar und seufzt leise in sich hinein.


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Verschwunden...

alter Mann @, Sunday, 11. November 2007, 12:44 @ alter Mann


Als Antwort auf: Ausruhen von alter Mann am 10. November 2007 15:38:36:


Wer den Alten nicht beobachtet hat, wird am Abend nur feststellen können, dass er den Platz am Stein geräumt hat.


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