Ein menschliches Herz
Unbemerkt kreist schon seit dem frühen Morgen ein schwarzer Punkt über der Oberstadt, Stunde um Stunde mit der Gleichmäßigkeit eines mechanischen Uhrwerks.
Erst um die Mittagsstunde, wenn vieler Orten die Arbeit der Hitze wegen ruht, und für gewöhnlich sich auch die Tempel mit Gläubigen füllen; Lästerzungen führen das auf die kühlen Hallen zurück; beginnt der Punkt in einer langen Spiralbahn tiefer zu sinken. Enger werden die Kreisbahnen und obwohl der Vogel noch hoch am Himmel schwebt, ist die Falkengestalt unverkennbar. Der Hostinostempel scheint den Himmelsräuber anzuziehen, denn über ihm werden seine Kreise immer enger und schließlich legt der Falke die Flügel an. Wie ein Stein fällt der Falke in einen rasenden Sturzflug. Sein Schrei, laut und durchdringend läßt Priester und Gläubige im Tempelhof die Augen zum Himmel wenden. Nachtschwarz ist der riesige Falke auf den sich nun alle Blicke richten. Silbern gleißt der Schnabel im Himmelslicht und als der Falke seine Flügel ausbreitete, um seinen rasenden Sturz kurz vor dem Dach des Hauptgebäudes des Hostinostempel abzufangen, schworen Manche hinterher, daß vier oder gar fünf Vat zwischen den Flügelspitzen lagen. Klein ist der Gegenstand den der Falke aus seinen Krallen fallen läßt, die ebenso wie sein Schnabel silbern leuchten. Mit einem häßlichen, dumpfen Geräusch klatscht das Etwas auf das Dach und kollert über die Dachkante, fällt in den Hof zwischen die auseinanderspringenden Gläubigen. Mit einem markdurchdringenden Schrei, voll von Bosheit und Hohn, so wird es berichtet, schraubt sich der ungeheure Falke mit mächtigen Flügelschlägen wieder in den Himmel. Schon bald ist er nur mehr ein schwarzer Punkt am Himmel, um schließlich vollends den Blicken zu entschwinden. Als sich der Schrecken legt und das aufgeregte Kommentieren beginnt, nehmen die Ersten den Gegenstand in Augenschein, den er Falke fallen ließ, nur um mit einem Ausdruck des Entsetzens auf ihren Gesichtern zurückzuschrecken. Manche wenden sich ab, andere rufen die Götter an und eine gepflegte Dame der besseren Gesellschaft übergibt sich gar, denn es ist ein menschliches Herz, daß da auf den Steinfließen des Tempelhofes liegt.
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- Ein menschliches Herz - Pestilenz, 07.06.2003, 20:14
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- Re: Ein menschliches Herz - Tadjara Alchiac, 08.06.2003, 11:21
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- Re: Ein menschliches Herz - Stadtwache, 08.06.2003, 11:25
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- Re: Ein menschliches Herz - Tadjara Alchiac, 08.06.2003, 11:21